„Der Bezirk ist tot, es lebe der Ort!“
Eine provokante These direkt zu Beginn, die ich aber in ihrer Brisanz erst einmal erklären muss.
Ich schreibe in dieser Kolumne über Beziehungsarbeit, über Jugendarbeit, die vor allem durch Beziehungen geprägt ist, über Qualität der Beziehung anstatt Quantität der Teilnehmenden. Wenn ich nicht schreibe, arbeite ich als Jugendreferent in der evangelischen Landeskirche Württemberg. Dort wird die Jugendarbeit vom evangelischen Jugendwerk in Württemberg seit Jahr und Tag in folgender Struktur verantwortet: Es gibt vor Ort eine Jugendarbeit, von Ehrenamtlichen getragen, gemanagt und verantwortet. Um diese Ehrenamtlichen fachlich zu unterstützen und zu begleiten, gibt es in (geographisch mal mehr oder weniger) zentral liegenden Orten sogenannte Bezirksjugendwerke. Dort sitzen drei oder vier Jugendrefereten:innen und versuchen, ihren Bezirk zu überblicken und die Menschen darin zu begleiten. Diese Bezirke sind oft nicht ganz klein, deshalb ja einige Referenten:innen. Dazu kommt dann manchmal noch ein sogenannter geschäftsführender Referent (meist männlich), weil so ein hauptamtlicher Haufen muss ja auch irgendwie verwaltet werden.
Bevor ich zur Kritik komme, vorab: In Bezirksjugendwerken geschieht gute Arbeit. Hauptamtliche setzen sich leidenschaftlich und mit viel Kraft für junge Menschen ein. Aber der entscheidende Fehler liegt im System!
Meine These ist: Das Bezirksjugendwerk ist nicht mehr zeitgemäß! Wir sollten es abschaffen.
Die Zeit in der jeder Ort eine eigene Jugendarbeit hatte, die ehrenamtlich getragen und hauptamtlich begleitet wurde, ist vorbei. Dass Menschen in den letzten Jahren keinen Anschluss mehr an Kirche und organisierten christlichen Glauben gefunden haben, zeigt sich nun in unseren Jugendarbeiten daran, dass ihre Kinder auch kein Interesse an unseren Angeboten haben. Wieso auch? Der Sportverein macht das gleiche und noch besser, weil man keine (moralisch aufgeladene) Geschichte anhören muss. Das ist aber genau das, worauf Bezirksjugendwerke oder ähnliche Strukturen hauptsächlich ausgerichtet sind. Und selbst wenn sie versuchen, konstant an einem Ort zu unterstützen, ist die schiere Menge an Orten in einem Bezirk einfach zu groß. Logistik, Fahrerei und Verwaltungsbürokratie binden damit Ressourcen, die frei sein könnten für gelebte Beziehungsarbeit bei den Menschen.
Seit ewigen Zeiten ist doch eigentlich klar, dass christliche Jugendarbeit durch eine tiefe und echte Beziehung zu den Menschen gekennzeichnet sein sollte. Wir können uns auch weiter in der zehnten langweiligen Konferenz versichern, dass das ja wichtig ist oder im tausendsten Buch davon lesen. Aber wir sollten dringend anfangen, es zu leben. Auch wenn es an unseren Strukturen rüttelt.
Christliche Jugendarbeit braucht Hauptamtliche vor Ort die dort authentisch leben und in Beziehungen investieren. Konstant und konsequent. Nicht angefahren kommen, sondern vor Ort leben.