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Global local: Wenn Jesus alle an einen Tisch bringt

11. August

Global local ist ein neues Fresh X-Format, das dabei helfen will, Menschen mit unterschiedlichem (kulturellen) Background zusammenzubringen, um voneinander zu lernen und über den eigenen Tellerrand zu blicken. Eine Kleinstadtgemeinde aus Süddeutschland hat mitgemacht.

Ein exotischer Duft liegt in der Luft. Die lange Tischtafel im Gemeindehaus ist mit großen grünen Blättern dekoriert und es stehen Schüsseln und Schalen mit leckeren Köstlichkeiten bereit für den Nasi-Tumpeng-Contest.

Weltoffenheit geht durch den Magen

Es ist indonesischer Abend im Teeniekreis in der Ev. Kirchengemeinde Großbottwar. Anie ist zu Gast. Sie ist gebürtige Indonesierin und mit einem Großbottwarer verheiratet. Sie erzählt aus ihrer Heimat, zeigt Bilder, hat extra für uns ihre Batik angezogen und mehrere Stunden lang gekocht, damit wir Nasi Tumpeng machen können. Das ist das Nationalgericht Indonesiens und am 17. August, dem indonesischen Unabhängigkeitstag, gibt es Wettbewerbe, besonders auf Java, wer den schönsten Nasi Tumpeng kreiert. Dazu wird ein Teller mit Bananenblättern ausgelegt und gelber Reis zu einem spitzen Berg aufgehäuft. Die Farbe Gelb symbolisiert Gold und damit den Reichtum, den wir haben, Überfluss und hohe Moral. Andere Reisfarben hätten andere Bedeutungen. Die spitze Form deutet auf die vulkanischen Regionen und steht außerdem auch für einen heiligen Berg, auf dem gebetet wird. Diese Art von Tumpeng, wie Anie sie uns mitgebracht hat, wird bei fröhlichen Festen verwendet, traditionelle Hochzeiten beispielsweise, aber auch Ladeneröffnungen. Also alle Feste, bei denen man Gott danken möchte, für das, was er geschenkt hat.  Zum Reis gibt es viele verschiedene Beilagen, z.B. Chicken Satay mit Erdnusssoße, Tempeh, Bohnen mit Kokosnuss und andere ähnlich exotische Dinge. Sie symbolisieren, dass „die Indonesier“ eigentlich ein bunter Mix aus vielen verschiedenen Kulturen und Religionen sind und einander respektieren und tolerieren sollen.

Die Welt zu Gast zu Hause

Dieser indonesische Abend im Teeniekreis ist Teil des 40tägigen Global local-Prozesses, den die Ev. Kirchengemeinde Großbottwar gemeinsam mit dem CVJM Großbottwar e.V. als Pilotprojekt durchläuft. Global local ist ein Projekt, das auf vier Jahre angesetzt und beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW) angedockt ist.  

Bei Global local geht es darum, als Christen vor Ort Einheit in kultureller Unterschiedlichkeit zu entdecken. Jesus hat uns Einheit geschenkt, egal welches Land wir als Heimatland bezeichnen, welche Sprache uns am vertrautesten ist und was wir am häufigsten essen. Leicht passiert es im Alltag, dass man sich nur mit denen unterhält, mit denen man sich eben immer unterhält. Deshalb hilft so ein Prozess, den Blick und das Herz zu weiten, einander wahrzunehmen, mutig aufeinander zuzugehen, einander aus dem Leben zu erzählen und die Verschiedenheit als Bereicherung zu erkennen.

Die 40 Tage sind in sechs Wochenthemen eingeteilt, die jeweils einen Bibeltext zur Grundlage haben. Der Prozess beginnt mit dem Thema „Geschenkt – ein Segen füreinander“. Als Basis dient die Geschichte von Rut. Sie lernt durch die Familie, in die sie heiratet, Gott kennen und lieben. Später wird sie als Ausländerin ihrer Schwiegermutter in deren eigener Heimat zum Segen. Seinen krönenden Abschluss findet der Prozess mit Offenbarung 7, 9-17. Dort wird beschrieben, wie eine große Menschenmenge aus allen Nationen und Sprachen in weißen Kleidern mit Palmzweigen in den Händen vor dem Thron und vor dem Lamm steht. Wenn wir gemeinsam Gott loben und ihn feiern, wird der Himmel auf Erden ein Stückchen sichtbar.

Mit diesen Themen beschäftigt man sich in Gemeindeveranstaltungen und Gottesdiensten, in Gruppen und Kreisen und bei persönlichen täglichen Impulsen. So man denn will. Denn alles ist freiwillig; Offenheit kann man nicht erzwingen. Weder in Berlin noch in Großbottwar.

Kleinstadt mit globalem Flair

Großbottwar ist eine schwäbische Kleinstadt mit ca. 8500 Einwohnern und die Frage liegt nahe, ob so ein interkultureller Prozess in einer Kleinstadt überhaupt durchführbar ist, oder ob dazu nicht eine gewisse Migrationsdichte benötigt wird.

Die Verantwortlichen in Großbottwar haben sich aus mehreren Gründen dafür entschieden, es einfach mal auszuprobieren. Zum einen, weil die Themen des Prozesses vielversprechend sind und ein Blick über den Tellerrand nicht unbedingt an unterschiedliche nationale Hintergründe geknüpft sein muss. Die Erkenntnis, dass der jeweils andere eine Bereicherung ist, kann nur von Vorteil sein.

Zum anderen soll im November die evangelistische Woche “hoffnungsfest“ in Großbottwar stattfinden. Der Global local Prozess hilft uns, sich für andere Menschen zu öffnen und einladende Gemeinde zu sein.

Als Pilotgemeinde kann man, neben den Vorlagen des Global local Teams, selbst viel experimentieren und entwickeln und braucht eine gewisse Fehlertoleranz für sich und andere. In der Auswertung wurde klar, dass unser Planungszeitraum im Vorfeld zu kurz angesetzt war. Und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Zum einen kamen wir direkt aus der Hochinzidenzphase, hatten somit eine gewisse Planungsunsicherheit zu Beginn. Einige Gruppen und Kreise trafen sich erst wieder zum Anfang des Global local-Prozesses. Zum anderen erreichten die von uns gewählten unterschiedlichsten Kommunikationswege, von Gottesdienstabkündigung, Social Media, Infotreffen per Zoom, über E-Mail, Artikel im Gemeindebrief bis hin zu Postkartenflyern in diesem Zeitraum leider bis zum Start irgendwie doch nicht alle.

Umdenken ist nicht für alle was

Einige Gruppen entschieden sich dann bewusst dagegen. Teilweise, weil das Programm bis zu den Sommerferien schon geplant war, teilweise, weil die Wochenthemen für die jeweilige Zielgruppe, besonders für Kinder im Grundschulalter, zu abstrakt, beziehungsweise zu ähnlich schienen. Manche ehrenamtlich Mitarbeitenden empfanden den Aufwand höher als sonst, mit gleichzeitig geringerem Nutzen. Manche interessierte die Thematik einfach nicht. Andere Mitarbeitende wiederum nahmen aber trotzdem zumindest für sich selbst einen gewissen Umdenkprozess mit und kamen durch die Gemeindeveranstaltungen mit Menschen in Kontakt, mit denen sie sich sonst nicht unterhalten hätten. Bei Gruppen, die sich am Prozess beteiligt hatten, wurden Gäste eingeladen und Programm gemacht, das es sonst nicht gegeben hätte, da es außerhalb des bisherigen Erfahrungshorizontes lag.

Feste Termine, neue Themen

Die Gottesdienste und Veranstaltungen, die ihren festen Platz im Jahreskalender der Ev. Kirchengemeinde und des Vereins haben, wurden unter das jeweilige Global local-Thema gestellt. So wurde z.B. das traditionelle Gütlefest des CVJM in mehreren privaten Gruppen mit der damals erlaubten Personenzahl gefeiert. Man konnte sich als Gastgeber in eine Liste eintragen, bzw. sich als Gast zuordnen lassen. So kamen auch Menschen zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun hatten. Das Gemeindefest im Teilort Winzerhausen wurde u.a. mit internationalem Buffet gefeiert, zu dem die nigerianische Flüchtlingsfamilie genauso ihren Beitrag leistete, wie die Missionarsfamilie aus Kenia, der Gastprediger vom Kinderwerk Lima oder der Männertreff. So kamen doch die meisten wenigstens ein bisschen mit dem Thema in Berührung und der Begriff „Global local“ entwickelte sich langsam zu einem geflügelten Wort, sei es auch in Bezug auf die Beziehung zwischen den „richtigen“ Großbottwarern und den Bewohnern der anderen Teilorte.

Augen öffnend

Im Laufe des Prozesses tauchten aber auch immer mehr Christen in unserer Stadt mit tatsächlich anderem kulturellem Hintergrund auf. Oder uns wurden einfach die Augen geöffnet, wen das eigentlich betrifft. Eine chinesische Frau kommt jetzt neu zu dem Frauenkreis, in den sie als Gast eingeladen wurde. Und es schafft Nähe und Verständnis, beispielsweise live von den Herausforderungen einer Geflüchteten zu hören und nicht nur über die Nachrichten davon zu erfahren. Die einzelnen Begegnungen und Lebensgeschichten, die einzelnen Personen sind es wert, dass wir uns auf die Suche nach ihnen machen, den Blick auf sie richten und ihnen Raum geben, sich mit ihrem Erfahrungsschatz einzubringen.

Anie mit dem traditionellen Nasi Tumpeng und in der typischen Batik.

Wenn es gerade passt

So wie Anie. Sie erzählt an diesem indonesischen Abend im Teeniekreis, dass sie als Christin in Indonesien einer religiösen Minderheit angehört. Und sie erzählt uns, dass sie einmal an Weihnachten nicht in die Kirche gehen konnte, wegen einer Terrorwarnung. Es ist ein Unterschied, ob man als Christ in Indonesien in ländlichen Gegenden wohnt, oder auf dem touristischen Bali, wo sie später studiert hat. Sie zeigt uns Fotos von ihren Freundinnen in Indonesien, manche muslimisch, manche hinduistisch. Religiöse Themen werden nicht so sehr besprochen in diesem Freundeskreis. Eine ihrer Freundinnen einfach mal mit in den Gottesdienst einzuladen, geht nicht. Aber sie erzählt ihnen immer mal wieder, wenn es gerade passt, dass Jesus sie glücklich macht. Und da können wir uns ein Beispiel an Anie nehmen. Wie wäre es, wenn wir ebenfalls unseren Freunden einfach erzählen, was wir mit Jesus erlebt haben, wenn es gerade passt? Es ist eine kleine Erinnerung daran, dass Jesus uns dazu berufen hat, überall auf der Welt seine Zeugen zu sein. Und die fängt bei der eigenen Haustür an. Global local.

Neuer Horizont

Der Prozess hat bei vielen eine gewisse Sensibilisierung in Gang gesetzt und eine Ernüchterung darüber, dass wir es nicht ohne so einen bewussten Prozess schaffen, alle im Blick zu haben. Der Gedanke kam auf, dass wir jetzt eigentlich weiter machen bzw. in ein paar Jahren Global local nochmal durchführen sollten. Dann verbessert durch unsere Erfahrungen und die Erlebnisse, die andere Gemeinden bis dahin gemacht haben.