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Im Stand-by: Wenn Ideen sich nicht sofort realisieren lassen

22. Juli

Pläne sind dazu da, um sie über den Haufen zu schmeißen. Oder sie zumindest anzupassen. Abzuwandeln. Neu zu denken. So geht’s auch Jonte Schlagner und seinem Team aus Iserlohn, die einen sozialen Coworking-Space planen. Pläne wurden geschmiedet, besprochen, weitergedacht, verworfen. Wie er und sein Team dabei die Motivation aufrechterhalten, hat er im Interview erzählt.

Serie: Frische Kirche für morgen gestalten – Teil 3

fx:  Ihr habt in den letzten Monaten viel geplant und angeleiert, habt euch gut vernetzt und trotzdem geht es aus diversen Gründen grad nicht so schnell, wie ihr euch das zu Beginn mal gewünscht habt. Wie geht ihr damit um? 

Jonte: Es geht oft nicht so schnell wie man möchte, weil man in seinen Plänen meist vom Optimalfall (mit Puffer) ausgeht. Die Frage ist: Was kostet es, dass es länger dauert; an Ressourcen, an Geld, an Zeit? Und auch: Was ist das Problem? Ist es die eigene Ungeduld oder ist es das Geld, das irgendwann ausgeht oder ist es die Zeit, die irgendwann einfach vorbei ist, weil das Projekt in einem bestimmten zeitlichen Rahmen starten muss, weil jetzt der Bedarf da ist, oder weil es in fünf Jahren nicht mehr innovativ ist. Und gerade, wenn es christliche Projekte sind, denkt man leicht: Gott ist mit dabei, dann muss es auch schnell gehen, nach dem Motto: Mit meinem Gott kann ich Mauern überspringen, sprich: alles läuft, alles schick.

Wenn es eben nicht schnell geht, sprech ich viel mit Freunden, mit dem Team und frage sie, was das jetzt mit ihnen macht. Was denkt ihr darüber? Was heißt das jetzt konkret für uns? War das ein Nein von Gott oder ein ‚Warte ab‘? Gibt es Alternativen? Und wenn wir merken, es gibt keine Alternativen, dann warten wir gemeinsam ab. Dieses gemeinsame Abwarten hilft mir, als nicht so super geduldigen Menschen, damit umzugehen. Genauso wie das an Gott dranbleiben und das gleichzeitige Vertrauen in die eigene Idee. Mir hilft es zu wissen, dass mein und unser Selbstwert nicht davon abhängig ist, ob das jetzt nach vorne geht oder ob die Idee versandet.

Die Frage, darf das Projekt auch scheitern, muss am Anfang unbedingt mit Ja beantwortet werden können, damit man selbst und die Idee nicht verkrampfen.

fx: Aber fängt man nicht auch an, alles nochmal krass zu hinterfragen? Zum einen geistlich: War es wirklich Gottes Plan oder hat er es anders gemeint? Wieviel hängt an uns und was hängt an Gott? Und dann zum anderen aber auch strukturell: Müssen wir die Idee noch mal neu aufziehen, größer oder kleiner denken, eine andere Zielgruppe in den Blick nehmen, etc. Da beginnt man vermutlich an der Idee herumzudoktoren. Manchmal ist das bestimmt gut, manchmal nicht. Was würdest du sagen: Weiterdenken oder Abwarten?

Jonte: Es ist auf jeden Fall Spannungsfeld, was aber gut ist. Wir haben uns zum Beispiel jetzt mit der Architektin schon mal überlegt, wie die Räume, die wir gerne hätten aussehen könnten, obwohl die Gespräche mit den Vermietern nur sehr schleppend laufen und wir nur langsam vorankommen. Was brauchen wir? Welche Settings und Szenarien sind denkbar? Wie kriegen wir Räume, wo man konzentriert arbeiten kann, Eventfläche bis hin zu nem Podcast-Raum unter? Dabei war uns allen klar: Ja, wir überlegen uns jetzt was, das wird aber noch tausendmal geschliffen und umgebaut. Das Ganze muss im Fluss sein dürfen. Ich würde nicht anfangen, jetzt die Idee an sich zu hinterfragen.

Wir haben gemerkt, dass viele Leute gut auf unser Konzept reagiert haben, Kooperationspartner mit an Board gekommen sind und es für uns jetzt dran ist, die Idee weiterzuspinnen und geduldig drauf zu vertrauen, dass sich das weiterentwickeln wird. Das geht, weil die Grundidee klar ist. Wir wollen mit kreativen Leuten, gemeinsam ‚frohet Schaffen‘. Wie das aussieht am Ende, das darf sich entwickeln, aber die Grundidee ist klar und bleibt.

fx: Gibt es denn aus deiner Perspektive Dinge, die man tun kann, um den Flow, die Motivation, nicht zu verlieren, die man hat, wenn man gerade was startet, aber gefühlt ausgebremst wird, weil Prozesse so lange dauern, wie Prozesse nun mal eben dauern.

Jonte: Ich glaub das Wichtigste ist ein gutes Team. Leute, mit denen man ehrlich reden und sich gegenseitig motivieren kann. Wo alle auch noch mal nen anderen Blick auf das Projekt haben und wo man sagen kann: Okay, wir können gerade an Punkt A, an Punkt B und auch an Punkt C – unseren drei wichtigsten Säulen – nicht weiterarbeiten, aber wir haben ja noch die Punkte D, E und F; lass uns doch mal schauen, was wir da machen können. Was begeistert uns denn da? Sich bewusst noch mal zu fokussieren, was einen da glücklich macht.

Ich merke das bei den Punkten, bei denen wir gerade ein Break haben – da kommen mir auf einmal wieder ganz andere Ideen, jetzt, wo ich ein bisschen Abstand habe. Und das macht Spaß und ist cool. Ich glaube, es gibt fast immer andere Dinge, mit denen man sich auch beschäftigen kann, wenn Sachen ins Stocken geraten. Mir hilft es, das dann genau aufzuschreiben: Was kann ich alles gerade nicht machen, aber an welchen Punkten kann ich stattdessen weiterarbeiten, was kann ich dennoch vorantreiben, wo kann ich Alternativen auftun? Und dann hoffnungsvoll das zu machen, was ich machen kann und das liegen zu lassen, was ich eben gerade nicht machen kann.

Im schlimmsten Fall plant und macht man jetzt Sachen, die dann nicht klappen, aber dann hat man trotzdem dabei so viel gelernt, was man für das nächste Mal anwenden kann.

fx: Aber was ist, wenn es nicht nur ins Stocken gerät, sondern man tatsächlich Rückschläge verdauen muss, Türen zugehen, sich Perspektiven zerschlagen? Ihr habt das gerade selbst erlebt, dass ein Fördermittelantrag, den ihr mit viel Zeit und Herzblut gestellt habt, abgelehnt wurde.

Jonte: Auch hier gilt wieder: Es kommt auf ein geiles Team an. Und drauf, das nochmal genau nachzuvollziehen. In unserem Fall war das so, dass wir ganz am Anfang des Projekts die Möglichkeit gesehen haben: In zwei Wochen läuft ne Frist aus, wo man sich für Fördermittel eintragen kann. Das hat uns geholfen, unsere Idee niederzuschreiben, auszuformulieren und zu konkretisieren. Jetzt gabs das No dafür, aber der Prozess hat uns dennoch dazu gebracht, voranzukommen. Und heute sind wir an nem anderen Punkt. Die Idee ist ausgefeilter, versierter und vielleicht, hätten wir mit dem jetzigen Konzept andere Chancen. Man muss das nicht alles negativ sehen. Klar ist es schade, dass wir die Förderung nicht bekommen haben, aber wir sind dadurch damals n gutes Stück vorangekommen, haben Erfahrungen gesammelt. Und Rückschläge passieren eben, das gehört dazu.

fx: Würdest du sagen, dass es (in finanzieller Sicht) auch besser ist, sich nicht nur auf eine Fördermöglichkeit oder einen Unterstützerkreis zu fokussieren, sondern sich breit aufzustellen?

Jonte: Ja, das schadet auf jeden Fall nicht. Wichtig ist, dass man trotzdem an das Projekt, die Idee und sich glaubt und sich von so etwas nicht abschrecken oder entmutigen lässt, sondern daraus lernt. Auch da ist wieder die Frage: Wie viele Ressourcen hat man? Hat man die Zeit, diverse Anträge zu stellen? Wie viel Zeit hat man, an Geld zu kommen? Gibt es andere Möglichkeiten, um das Projekt zu realisieren? Vom Fundraising-Gedanken her ist es immer cool, einen eigenen Spenderkreis aus Freunden und Bekannten aufzubauen, weil die Leute lieber Geld dorthin geben, was oder wen sie kennen.

Ich bin aber auch davon überzeugt, dass man, wenn man seine Sache auch fachlich richtig gut macht, dass man sich dann nicht, weil es ein christliches Angebot ist, hinter anderen Projekten aus dem säkularen Kontext verstecken und sich nur um Förderungen im kirchlichen Bereich kümmern sollte. Ich hab für unser Projekt, den sozialen Coworking-Space, viele Gespräche geführt, natürlich mit Leuten aus der Kirche, mit Leuten von anderen Coworking-Spaces, aber auch mit Leuten aus der Quartiersentwicklung, weil es uns wichtig ist, dass die Leute bei uns ihr Quartier auch aktiv mitgestalten können. Und dafür gibt es Fördermittel, die wir jetzt auch versuchen wollen, anzuzapfen. Da sind wir auch ganz selbstbewusst an Leute aus der Quartiersentwicklung und aus der Stadtverwaltung rangetreten und haben gesagt: Das und das haben wir vor, was sagt ihr dazu?

fx:  Was ist dein Tipp an die ganzen anderen Pionier:innen und Gründer:innen, die vielleicht jetzt gerade in der Warteposition stecken?

Jonte (überlegt etwas): Vielleicht: Hab den Mut auch mal was zu verpassen. Wir hätten jetzt die Möglichkeit gehabt, im Sommer noch einen neuen Fördermittelantrag zu stellen. Da ergab sich kurzfristig die Chance und wir hätten da jetzt noch mal alle Kraft, alle Zeit, alle Nerven krass reinwerfen müssen, um das zum Abgabetermin zu schaffen. Aber wir haben uns dagegen entschieden. Es hätte uns zu viel gekostet. Wir haben gemerkt: Natürlich können wir immer weiter und weiter machen. Aber wenn wir uns mal ehrlich liebevoll anschauen, schaffen wir das gerade nicht. Und wir müssen auch nicht auf jeder Welle mitschwimmen. Wir vertrauen jetzt darauf, dass Gott uns auch in unserer Begrenztheit sieht und uns hilft, das Geld für das Projekt irgendwie anderweitig zu beschaffen. Und das war gut. Das fühlte sich gut, fühlte sich richtig an. Und jetzt vertrauen wir darauf, dass etwas passiert.

fx: Danke für das Gespräch und ne gute Sommerpause euch. Ganz nach eurem Motto: Habt auch mal Mut, Pause zu machen. 

Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.