„Wir wollen dazu beitragen, dass durch kidscom jedes Kind ein buntes Zuhause bei Gott findet, in dem es gesehen und geliebt wird, mitgestalten und wachsen darf und bei dem die Mitarbeitenden ein Gegenüber sind.“ Mit diesen Worten wurde vor einigen Jahren unser Kinderbereich kidscom neu strukturiert. Das entscheidende Wort in diesem Leitbild ist mitgestalten. Es gibt in Gemeinden häufig Angebote für Kinder, aber Kinder in die Mitarbeit aufzunehmen, Formen zu entwickeln, in denen Kinder ihre Kreativität, ihre Leidenschaft, ihr Engagement einbringen dürfen, das ist ein völlig neuer Gedanke, den wir bei kidscom nun erproben (als Erprobungsraum der rheinischen Landeskirche).
Von den Großen lernen
Pate für diese Idee war unser Jugendbereich youcom. Jugendliche dürfen ihr „Zuhause der Jugend“, wie wir es nennen, selbst gestalten. Etwas Vergleichbares wollten wir auch für den Kinderbereich. Aber wie könnte das konkret aussehen? In unserem ersten Jahr mit kidscom wiesen zahlreiche Erlebnisse und Erfahrungen darauf hin, dass Kinder nicht nur den Drang hatten, an Veranstaltungen teilzunehmen, sondern immer wieder auch eigene Ideen einbrachten. Mit großer Begeisterung gestalteten sie diese mit: sie spielten Theater und dachten sich Theaterstücke aus, moderierten Spiele an, hatten Ideen für das Bühnenprogramm, sprachen Gebete. Sie freuten sich offensichtlich, dass wir, die Erwachsenen, ihnen, den Kindern, etwas zutrauten. Wir wiederum merkten, dass Veranstaltungen anders – kreativer, bunter, innovativer – wurden, wenn wir Kinder in der Planung beteiligten. Das Entscheidende bei youcom war damals nicht nur der Aspekt der Mitgestaltung, sondern auch die Leitung durch Jugendliche. Aber können Kinder auch schon leiten? Die presbyteriale Struktur, die youcom sich gegeben hatte, konnten wir mit Kindern nicht denken, wir sahen eher so eine Art Think Tank oder ein Ideen-Lab, in dem Kinder entweder rückwärtsgewandt mit Feedback die Arbeit reflektieren oder vorwärtsgewandt durch Ideen die Arbeit konzeptionell gestalten konnten.
So kam uns die Idee eines Kinderparlamentes, ein Treffen für Kinder, das viermal im Jahr stattfindet und sich Themen aus dem Kinderbereich vornimmt. Im Jahr 2019 fand das erste Kinderparlament statt. Wichtig dabei ist, dass Kinder durch ihre Mitarbeit im Kinderparlament erleben, dass sie Einfluss haben, sie erleben sich als selbstwirksam und lernen, dass es sich lohnt, mitzugestalten. Bedeutungsvoll ist daher nicht nur das Kinderparlament an sich, sondern auch der von ihm ausgehende Einfluss auf die weitere Arbeit, der Kindern transparent gemacht wird. Dabei merkten wir, dass es gar nicht so einfach ist, die Ideen der Kinder immer so konsequent weiterzuverfolgen (Erwachsene setzen die Prioritäten doch oft anders) und den Kindern zu kommunizieren, was aus ihren Ideen entstanden ist.
Kinderparlament konkret
Wie sieht ein Kinderparlament praktisch aus? Da wir für das Kinderparlament eine gewisse Reflexionsfähigkeit voraussetzten, konzentrierten wir uns zunächst auf Kinder im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Pro Treffen werden fünf bis sieben Kinder eingeladen. Die Besetzung wechselt, um immer wieder anderen Kindern die Erfahrung des Kinderparlaments zu ermöglichen. Auf einen kurzen geistlichen Input mit Liedern, einer Warm-up-Phase mit Snacks und Spielen folgt der thematische Teil, der mit interaktiven und kreativen Methoden gestaltet ist. Das Kinderparlament endet mit einem Ausblick, was aus den Ideen oder dem Feedback entstehen könnte.
Mittlerweile sind wir auch beim Alter mutiger geworden: Auch jüngere Kinder besitzen bereits die Reife und die Fähigkeiten, mit etwas Unterstützung am Kinderparlament teilzunehmen. So haben wir z.B. mit achtjährigen Kindern den Konfiunterricht für Drittklässler unter die Lupe genommen. Es ging um Fragen wie: Was findest du gut, was nicht? Welche Ideen hast du für den Konfiunterricht? Und: Wie könnte man ihn besser gestalten?
Kirche von morgen heute gestalten
Wenn Kinder Raum bekommen, Gemeinde zu gestalten, verändern sich nicht nur Veranstaltungen im Kinderbereich, sondern die gesamte Gemeinde. Nicht allen Gemeindegliedern gefällt das. Wir merkten: Es braucht Zeit, viel Begleitung und Werbung für das Konzept, bis es die Gemeinde durchdringt. Doch da sind auch wir noch lange nicht.
Tatsächlich halten wir es für eine kleine Sensation, dass Kinder Kirche gestalten. Wir schaffen Raum, Methoden und Möglichkeit, die Kinder bringen Begeisterung, Kreativität und Motivation mit. Und wir sehen vor allen Dingen die große Chance: Könnte es nicht sein, dass auf diese Weise engagierte und motivierte Mitarbeiter:innen heranwachsen, die kreativ, selbstbewusst, kompetent ausgebildet im Theaterspielen, Moderieren, Predigen, Musik machen, in liturgischen und theologischen Fragen, die Kirche von Morgen entwickeln? Dass sie die Kirche erdenken, in der sie später als Erwachsene gerne sein würden. Wäre das nicht großartig? Mit diesem Gedanken lässt sich so manches ältere kritische Gemeindeglied mit auf die Reise nehmen, die oft Großmütter oder Großväter sind: Wenn die Enkel begeistert in der Kirche mitmachen, dann darf es gerne auch mal anders als sonst üblich zugehen.
Dieser Artikel ist eine Zweitverwertung. Er erschien zuerst in der Zeitschrift 3E aus dem Bundes-Verlag, Ausgabe 3/2022. 3E ist das Ideenmagazin für die Kirche und erscheint viermal jährlich.