Seit einiger ist die Sächsische Landeskirche Mitglied im Fresh X-Netzwerk – als jüngstes Mitglied. Wir haben mit dem Pfarrer Roland Kutsche gesprochen, was die Mitgliedschaft für die Landeskirche und ihre Gliedkirchen bedeutet und worin sich Innovation zeigt.
fx: Herr Kutsche, erst einmal Herzlichen willkommen im Fresh X-Netzwerk! Wir freuen uns sehr, dass die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen Teil unseres Netzwerks sind. Wie kam es zur Mitgliedschaft?
Roland Kutsche: Fresh X war immer wieder mal ein Thema in unserer Landeskirche. Zunächst sind wir Partner der Bewegung geworden, doch nun haben wir entschieden, dass wir auch den letzten Schritt gehen und Mitglied werden wollen – worüber ich mich sehr freue.
Welche Erwartungen, Hoffnungen oder Wünsche haben Sie an das Netzwerk?
Ich denke, Vernetzung ist wichtig: dass sich alle, die in den verschiedenen Landeskirchen und anderen Kirchen missionarisch unterwegs sind, treffen, dass wir uns austauschen, Weiterbildungen gemeinsam organisieren, uns gegenseitig Impulse geben. Man braucht einfach ein Netzwerk und ich bin dankbar, dass es das gibt; das sollte man jetzt auch nutzen und gemeinsam ausbauen.
Welche Perspektive können Sie bzw. die sächsische Landeskirche ins Netzwerk einbringen?
Viele unserer Projekte und Projektstellen sind erst vor Kurzem an den Start gegangen und wir sind dabei, Dinge zu erproben und daraus zu lernen. Aber was sicherlich einzigartig in der EKD ist, dass die sächsische Landeskirche gerade einen besonderen Weg geht: Bis 2025 sollen in jedem der 16. Kirchenbezirke zwei missionarische Pfarrstellen eingerichtet werden. Das gehen wir gerade an. Ob und wie uns das gelingt, da bin ich selbst sehr gespannt.
Wie sieht es denn mit Nachwuchs-Theologen in Sachsen aus? Einige Landeskirchen haben ja einen zum Teil erheblichen Pfarrmangel.
Da sieht es in Sachsen nicht anders aus. Generell haben wir in Deutschland einen dramatischen Nachwuchsrückgang. Offensichtlich ist der Pfarrberuf derzeit nicht sehr attraktiv. Es liegt an uns, diesen Beruf noch einmal ganz neu zu denken und dafür zu werben.
Was Sie gerade noch mal neu denken, ist die Hauskreisarbeit. Ist die Zukunft von Kirche in den Hauskreisen zu sehen?
Kirche-in-den-Häusern so nennen wir die Hauskreise in Sachsen. Das macht deutlich, Kirche sind die Menschen, die sich in den Häusern treffen; übrigens fängt das bei den Familien an, die ihren Glauben leben und gestalten. Das wird ein wichtiges Element der Kirche der Zukunft sein, davon bin ich überzeugt. Darum gehört das auch zu unserer Kirche- die-weiter-geht. Hauskreise haben in Sachsen, ähnlich wie in Württemberg, Tradition. Das ist schon ein großes Potenzial, das wir haben.
Das Hauptfeld der innovativen Arbeit der EVLK ist „Kirche-die-weiter-geht“? Können Sie dazu mehr sagen? Inwiefern sind Sie da schon unterwegs?
Kirche-die-weiter-geht hat drei Säulen: Die erste sind die Projekte und Stellen. Das werden ab 2025 die zwei missionarischen Pfarrstellen in jedem Kirchenbezirk sein. Dazu haben wir jetzt eine Förderung von 5 weiteren Pfarrstellen und ca. 10 missionarischen Projekten. Hier steht vor allem die Innovation im unbekannten Gebiet im Focus. Eine neue Förderungsrichtlinie ist bereits beschlossen. Die zweite Säule ist Vernetzung: Kirche-die-weiter-geht soll zu einer Bewegung werden. Und die dritte Säule ist Aus-bzw. Weiterbildung und die Begleitung: Es ist unter anderem eine Langzeit-Weiterbildung für Pfarrer:innen geplant. Außerdem gibt es jedes Jahr eine Summerschool „Mission & Kontext“, verschiedene Impulstage und Begleitungstreffen.
Was bedeutet für Sie persönlich Mission?
Ich bin mit einem starken Akzent auf dem Missionsauftrag aufgewachsen: Wir haben einen Missionsauftrag und darum müssen wir die Menschen für den Glauben an Jesus Christus gewinnen. Für mich war es eine Befreiung, zu merken, wie die Anglikaner da herangegangen sind, die das sehr stark ausgehend von der Missio Dei denken, also von Gott her, mit einer Leidenschaft für seine Menschen und seine Schöpfung. Mission so zu denken, dass dort, wo Gott schon unterwegs ist, wir mithandeln, mitdenken und mitmachen, Co-Operator sind, uns mit in die Suchbewegung Gottes hineingeben und Anteil daran nehmen, das ist mein Missionsverständnis.
Was macht für Sie wirkliche Innovation aus?
Innovation ist etwas Grundlegendes in Wirtschaft und Gesellschaft und Kirche: Neu zu überlegen und ranzugehen, ob das, was man eigentlich will, was beabsichtigt ist, auch gelingt. Innovation ist ein grundlegendes Element von jeder Arbeit. Was viele Jahrhunderte gut war, kann durch den gesellschaftlichen Wandel und veränderte Bedingungen veraltet sein und dann muss man Kirche neu denken; nicht nur kreativ neue Wege gehen, sondern grundlegend auch bereit sein, Kirche umzubauen und umzugestalten. Ich denke, wir müssen ständig neu erproben, dass das Evangelium gehört wird und Menschen verändert. Hier sind wir nie zu Ende.
Wenn Kirche doch aber eine Tradition hat und die auch jahre- bzw. jahrhundertelang gut war, warum sollte man dann umbauen? Und wo muss man da ansetzen? Bei der Kirche oder bei den Menschen?
Ich halte nichts davon, über Menschen zu klagen, dass sie sich verändert und von Kirche entfremdet haben. Besser ist der Ansatz zu fragen: Warum gehen Menschen heute lieber zum Beispiel zum Yoga, als in einen Gottesdienst? Offensichtlich sehen viele Menschen im christlichen Glauben keine Lebens-und Alltagsrelevanz. Vielleicht haben wir als Kirche selbst viele Schätze unseres christlichen Glaubens nicht mehr im Blick und verkörpern das Evangelium nicht mehr so richtig. Wir können Menschen nur mit dem erreichen, was wir auch selber leben. Vieles an der Tradition ist wertvoll; doch wir sollen keine Asche weitergeben, sondern nur das, was noch glüht. Daher ist es gut, ständig zu fragen, welche Traditionen und Strukturen dienen am besten dazu, dass Menschen mit Gott heute erfahren und in Beziehung kommen können. Und da muss man so Manches neu denken und vor allem erproben.
Was Sie ja zum Teil jetzt bereits tun. Die einzelnen Fresh-X-Projekte und -Initiativen kann man sich auf der Homepage anschauen. Gerne würde ich in ein, zwei Jahren noch einmal darüber mit Ihnen ins Gespräch kommen, wie es weitergegangen ist, was bewahrt wurde und was wachsen konnte, doch an dieser Stelle sag ich erst einmal: Vielen Dank für das Gespräch!