Wer sich schon mal auf dünnes Eis gewagt hat, weiß, dass Aufbruch nicht nur nach vorne geschieht. Vielmehr ziehen sich an der Stelle, an der das Eis zu brechen beginnt, unzählige kleine Risse strahlenförmig in alle Himmelsrichtungen. Aufbruch flieht vom Zentrum in die Peripherie, dehnt sich in die Fläche aus.
Und genau das geschieht auch, wenn neue Formen kirchliche Tradition durchbrechen. Wenn Menschen mit einer Vision und Geistkraft einfach anfangen. Erst hören, dann dienen und dann Gemeinschaft fördern. Dann bricht ein bisschen Kirche in die Welt und gleichzeitig kommt Welt in die kirchlichen Strukturen. Und das macht Wandel möglich. Außen und innen. In der Welt und in der Kirche.
Keine Sorge, diese abstrakt gesäuselte Phantasie lässt sich ganz konkret beobachten. Und das geht in dieser Woche besonders gut. Denn am Dienstag war der 8. März. Feministischer Kampftag. Tag für den Kampf gegen das Patriarchat. Und das ist uns in kirchlichen Strukturen ja bestens bekannt. Begegnen uns in der Kirche Frauen doch vor allem im Ehren-, Männer beinah ausschließlich im Leitungsamt. Gleichberechtigt ist das nicht, auch wenn die Barrieren schon längst nicht mehr im Kirchenrecht liegen. Die sind vielmehr in unseren Gewohnheiten. In unseren Rollenbildern, der Weise, wie wir denken, fühlen und die Bibel lesen.
Das habe ich erst verstanden, als ich mitgezogen bin, am 8. März. Die Forderungen gehört habe, für die die Menschen auf die Straße gehen. Nicht nur Frauen, übrigens. Auch Lesben, Intersexuelle Menschen, Nicht-Binäre, Transpersonen und Agender, also die, für die Geschlecht grundsätzlich keine passende Kategorie ist. Weil sie alle von Sexismus betroffen sind. Weil sie marginalisiert, oft überhört werden und vor allem kaum repräsentiert sind. Das gilt besonders auch für kirchliche Strukturen.
So wie ich die Bibel lese, wie ich die Theologie von Jesus deute und davon meinen Auftrag als Christin in der Welt ableite, muss sich das verändern. Da müssen genau die gehört, gesehen werden, müssen wir genau mit denen Gemeinschaft ermöglichen, die von der Gesellschaft ungehört bleiben. Und dafür brauchen wir Aufbrüche. Die Risse ziehen in die Tradition. Und so Durchlässigkeit ermöglichen.
Mit den Frauen ist ein guter Anfang in der Kirche getan. Die übrigen, die sich hinter dem Akronym FLINTA verbergen, also Lesben, Intersexuelle Menschen, Nicht-Binäre, Transpersonen und Agender, sind, wenn überhaupt, bisher nur Einzelerscheinungen in der Kirche. Und wenn wir den Blick noch größer ziehen und gucken, wie viele Schwarze Menschen, Menschen of Color, Menschen mit Behinderung, Menschen aus dem Arbeiter:innen-Milieu in den kirchlichen Leitungsgremien vertreten sind, wird schnell sichtbar, dass es dafür noch viele Aufbrüche braucht. Viele Risse, die unsere traditionellen Strukturen durchlässiger machen.
Dabei ist das unser Auftrag. Aufzubrechen. Durchlässig zu werden. Teilhabe zu ermöglichen. Erst im Zentrum, dann in der Peripherie. Und das in die Fläche zu streuen.
Bei den beymeistern (generisches Maskulinum, I know and struggle :)) versuchen wir das im Kleinen. Indem wir mitziehen, am 8. März. Hören, was die Forderungen sind. Überlegen, wie wir denen dienen können, die da für ihre Rechte eintreten. Und wie eine Gemeinschaft aussehen kann, in der sie sich sicher und gesehen fühlen.
Weil das unser Auftrag ist, glaube ich.