Was war das Konzept des „neuen Gottesdienstes“?
Wir feiern nicht mehr jeden Sonntag einen anderen Gottesdienst. Wir haben uns auch von den Perikopen und dem agendarischen Gottesdienst verabschiedet. Wir bieten unsere Gottesdienste so an, wie ein Theater üblicherweise seine Stücke anbietet. Das bedeutet: wir planen „Spielzeiten“ (das sind bei uns drei Monate) und in diesem Zeitraum gibt es jetzt eben nicht mehr 12 verschiedene Gottesdienste, sondern 4. Statt 12 Gottesdiensten mit 12 Abläufen und 12 Predigten gibt es bei uns nur noch 4 verschiedene Gottesdienste, 4 Abläufe, 4 Predigten.
Was bedeutete das für die Vorbereitung?
Wir bereiten sie dafür intensiver vor, sie unterscheiden sich untereinander deutlich in Setting, Atmosphäre, Musik, Gestaltung.
Was war die Grundidee dahinter?
Wir wollen möglichst vielen Menschen verschiedene Anlässe geben einen Gottesdienst zu besuchen. Der Fokus liegt weniger auf Menschen, die oft kommen, sondern stärker auf auf vielen Menschen, die seltener (aber eben häufiger als sonst) kommen.
Nach eineinhalb Jahren habt ihr Bilanz gezogen. Wie fiel diese aus?
Hervorragend! Wir haben im Vergleich zum „alten Konzept“ über doppelt so viele Menschen in unseren Gottesdiensten begrüßen dürfen. Es kommen aber nicht nur mehr, sondern vor allem sehr viel mehr verschiedene Menschen. Wenn wir den Gottesdienst „Lagerfeuer & Abendmahl“ draußen anbieten, dann kommen bei dem zweiten und dritten Mal (es ist ja jeweils der identische Gottesdienst!) rund 70% das erste Mal. Sprich: die meisten Menschen besuchen die Gottesdienste nicht mehrfach.
Habt ihr mit dem neuen Konzept Kraft gespart oder kostet es mehr?
Ich würde sagen: Weder noch. Es ist erstmal kein Modell, um Arbeitszeit zu sparen. Was sich verändert hat, ist die Art und der Zeitpunkt der Vorbereitung. Wir planen unsere Gottesdienste nun Monate vorab und es gibt gerade beim Zusammenstellen eines neuen Gottesdienstprogrammes sehr viel Arbeit. Aber wenn dann erstmal alles geplant ist, dann braucht es kaum noch Zeit für Vorbereitung etc., da wir die Gottesdienste ja mehrfach identisch feiern. Auch bei den Predigten: ich schreibe jetzt deutlich weniger Predigten und kann mir deshalb pro Predigt mehr Zeit nehmen.
Was waren Tops, was Flops?
Manche unsere Gottesdienste werden von 20 und andere von 120 Menschen besucht. Es ist im Vorwege für uns oft kaum ersichtlich, welche Angebote gut ankommen und welche nicht. Besonders schlecht kam der Gottesdienst „Künstlerische Freiheit“ an, bei dem man sich kreativ (mit ganz viel Kreativmaterial) mit dem Predigttext auseinandersetzen konnte. Am besten besucht waren bislang Gottesdienste mit Gospelmusik und Chören. Allerdings sind für uns manchmal auch Gottesdienste „top“, auch wenn sie nicht besonders gut besucht sind – und dafür Menschen zu Gast sind, die wir sonst nicht oder weniger erreichen. Wir feierten einen „Bibel & Bier: Tasting!“-Gottesdienste. Es waren nicht sehr viele Menschen da, aber eben „andere“. Das ist dann für uns auch ein Erfolg!
Welchen Stellenwert räumt ihr der Predigt ein?
Für mich persönlich ist die Predigt der Kern des Gottesdienstes. Aber ich muss ehrlich zugeben: das gilt vermutlich nicht für die Mehrheit der Besucher:innen. Dennoch gibt es bei uns eigentlich keinen Gottesdienst ohne Predigt und in den meisten Fällen ist diese auch – für landeskirchliche Verhältnisse – eher lang als kurz. Meine Predigten gehen oft 20-25 Minuten. Das ist aber auch abhängig vom jeweiligen Gottesdienst.
Und wie kommt ihr auf die Ideen?
Am Anfang waren die meisten Ideen von mir. Unsere Kirchenmusikerin (übrigens schon über 70 und eigentlich eine ganz „klassische“ Kirchenmusikerin) hat sich aber sehr schnell von dem Konzept anstecken lassen und hat ganz viele Ideen beigesteuert. Inzwischen kommen auch viele
Ideen aus der Gemeinde selbst heraus oder sie entstehen in Zusammenarbeit mit Musiker:innen aus der Region. Wir feiern jetzt mit einem Orchester Gottesdienst. Ich hatte sie angefragt, ob sie Lust haben dabei zu sein und dann meinten sie, dass sie schon mal die Arche Noah Geschichte musikalisch verarbeitet haben und zack war eine neue Idee da. Wir haben aktuell eine ziemlich lange Liste an Ideen, weil sich viele Menschen einfach von der Freiheit in der Gottesdienstgestaltung haben anstecken lassen.
Jonas Goebel ist Pastor in der Ev.-Luth. Auferstehungskirche Hamburg-Lohbrügge, Autor von „Jesus, die Milch ist alle“, Podcaster und Blogger von „.
Das Interview erschien zuerst in dem Magazin 3E aus dem Bundes-Verlag, Witten. Die Fragen stellte der Chefredakteur des Magazins, Rüdiger Jope.