inspiriert

Die Suche nach der Sehnsucht

20. Juli

Esther Göbel leitet Surfexerzitien und hat vom Surfen eine Menge fürs Leben (und für Fresh X) gelernt. Diesen Sommer schreibt sie hier übers Surfen und Glauben.

„Voll im Flow sein“ – ein erstrebenswerter Zustand. Wenn Zeit und Raum plötzlich keine Rolle mehr spielen. Man weder Hunger noch Durst bemerkt und das, was vor einem liegt, völlig leicht von der Hand geht. Eins werden mit dem Moment und der Umgebung. Genau Im-Lot-Sein zwischen Über- und Unterforderung. Dieser Augenblick, wenn alles zusammenpasst, ist leider nicht von selbst herstellbar. Er ist ein „Gnadengeschenk“, bleibt immer etwas Unverfügbares.

Fahren oder Fliegen

Beim Windsurfen ist der Flow auf jeden Fall mit dem Gleiten verbunden. Es gibt die sogenannte Verdrängerfahrt oder das Gleiten. Der Unterschied liegt darin, dass ich beim Verdrängen durchs Wasser pflüge, beim Gleiten übers Wasser fliege. Je schneller ich fahre, desto mehr steigt das Board aus dem Wasser, bis am Ende nur noch die Finne das Board auf Kurs hält. Zur Beschleunigung muss ich dem zunehmenden Segelzug mit Körperspannung gegenhalten, bis an der „Gleitschwelle“ auf einmal alles ganz leicht wird. Wer das erlebt hat, ist infiziert und will es immer wieder erleben.

Notwendige Voraussetzungen

Beim Windsurfen müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit ich ins Gleiten komme:
1. Kraft, Einsatz und Risikobereitschaft meinerseits. Ich brauche den Mut, mich den Wellen zu stellen, Anstrengungsbereitschaft, muss das Segel dichthalten und unbedingt meine Körperspannung aufrechterhalten. (Anstrengung, Segel dichthalten, Körperspannung)
2. Die Bedingungen müssen stimmen. Ich kann keinen Wind machen, wenn Flaute ist.  
3. Gnadengeschenk on top: Gleiten ist immer geil, aber manche Sessions sind besser als andere, weil dann einfach alles stimmt und ich auch noch innerlich etwas geschenkt bekomme: „Where the magic happens.“
Jedes Mal, wenn ich in den Flow komme, übers Wasser gleite, dann ist das für mich Gottesdienst und Lobpreis. Auf dem Wasser. Auf dem Board. Selten fühle ich mich sonst Gott so nahe wie in diesen Momenten.

Sehnsucht nach dem Flow

Der Flow ist die Erfüllung der Sehnsucht! „Alles beginnt mit der Sehnsucht“, schreibt Nelly Sachs. „Immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, für Größeres.“
Ich kenne diese Sehnsucht gut, diese Sehnsucht nach mehr Liebe, mehr Freiheit, mehr Erfüllung. Nach der Sonderpackung Leben. Aber genau da, „wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf“. Diese Sehnsucht treibt mich an, lässt mich mutig werden, mich den Herausforderungen zu stellen, etwas zu wagen, um Erfüllung, Flow, zu finden.

Suchen und Finden

Was wäre, wenn wir unsere Sehnsucht nicht nur nach dem Flow, nach dem perfekten Augenblick, ausrichten, sondern auf Gott? Nelly Sachs formuliert dazu folgenden Wunsch, der auch als Gebet gelesen werden kann: „So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, dich zu suchen, und lass sie damit enden, dich gefunden zu haben.“ Auf dem Wasser. An Land. Im Alltag.

Fragen

Wann wird aus Sehnen Sucht?

Gibt es kontrollierte Sehnsucht?

Und wann ist es mal genug?

Kennst du es, voll im Flow zu sein? Welche Bedingungen brauchst du dafür?

Welche Risiken scheust du?