Als ich auf Instagram poste, dass ich die Pionierweiterbildung an der CVJM-Hochschule mache, schreibt eine Freundin in die Kommentare: „dass die alte ostpocke jetzt doch noch pionier wird …“ Und recht hat sie: Ich, Pionier? Echt jetzt? Wo ich doch keine Gelegenheit auslasse, zu sagen, dass der Mauerfall ein Wunder war, dass ich sonst nicht Theologie studiert und schon gar nicht meine Frau kennengelernt hätte. Ich, der den 3. Oktober und den 9. November jedes Jahr als meinen Freedom-Day feiere – ich werde jetzt Pionier?
Zum Hintergrund für Nicht-Ossis: In der DDR war die große Mehrheit der Kinder Teil der Massenorganisation der sogenannten Thälmann-Pioniere und erhielten nicht nur ein kratziges Halstuch und ein entsprechendes Hemd, sondern wurden auch realsozialistisch indoktriniert.
An vorderster Front
Auf diese Weise war das Wort Pionier für mich durch die Geschichten meiner Familie von Anfang an negativ konnotiert. Mir selbst begegnete das Wort dann wieder Jahre später , als ich meinen Grundwehrdienst als Sanitäter der Luftwaffe absaß. Da gab’s dann auch die Einheit der Pioniere. Man spottete beim Bund: „Dumm, stark, wasserdicht.“ Dass Pioniere im Krieg ihr Leben wagen und oft genug verlieren, war damals in meinem Kopf zum Glück weit weniger präsent. Und nun werde ich vom Sanitäter zum Pionier?
Entdecker, Erkunder, Entrepreneur
Eigentlich wäre mir ein anderes Wort für Pionier viel lieber: Entdecker, Erkunder, Gründer, Entrepreneur, Innovator, neugieriger Kundschafter, all das passt doch viel besser zu mir. Aber Pionier?! – Ihr seht: Mit der Selbstbezeichnung bin ich noch im Prozess. Und zugleich will ihm eine neue Chance geben. Auf der Weiterbildung werde ich wohl weder indoktriniert noch in den Krieg geschickt. Stattdessen hoffe ich, dass meine Neugier und meine Sehnsucht auf neue Inspirationen und Ideen treffen. Dass ein neuer Prozess beginnt. Dass ich mit vielen anderen Neugierigen und Sehnsüchtigen Gemeinschaft erlebe, die nach Friedenswegen für diese Welt sucht, Kirche durch die Decke denkt und sich in allem von Gott berühren und begeistern lassen will.
Und wer weiß: Vielleicht werde ich mich am Ende noch selbst als Pionier bezeichnen?
Doch bis es soweit ist, werde ich euch mit in diesen Prozess hineinnehmen. Werde von meiner Motivation, meinen Fragen, meinen Erfahrungen und meinen Erlebnissen rund um die Weiterbildung berichten und überprüfen, inwiefern sich das Gelernte in meinem beruflichen Alltag abbilden und widerspiegeln lässt.