Hamburg begrüßt uns, wie sollte es auch anders sein, mit typisch-nordischem Schietwetter. Doch – auch wenn es kitschig klingt – als Josephine Teske an der Tür des Gemeindehauses auftaucht, ist es, als würde die Sonne aufgehen. Strahlend steht sie da. In ihrer herzlich-erwärmenden Art bittet sie uns hinein. Bei Kaffee und Wasser (mit dem passenden Namen „Wildwasser – Zurück zu den Quellen“) sitzen wir in einem funktionalen und wenig gemütlichen Gruppenraum. Trotzdem entstehen eine gemütliche Atmosphäre und ein offenes Gespräch.
Bevor es vor einem Jahr zur Wahl ins höchste kirchliche Ehrenamt Deutschlands kam, war Josephine Teske vorwiegend einer großen Follower-Zahl auf Instagram bekannt. Als Vikarin und später Pfarrerin im 10.000-Einwohner-Städtchen Büdelsdorf (Schleswig-Holstein) berichtete sie unter dem Namen @seligkeitsdinge auf der Plattform über den Alltag einer Pastorin: religionspädagogische Angebote im Kindergarten, Konfirmandenarbeit, Gottesdienste, Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Als Teil der christlichen Sinnfluencer-Netzwerke yeet und ruach.jetzt engagiert sie sich in Themenwochen, Online-Andachten und anderen digitalen Angeboten. Auf Instagram und in ihrer Arbeit als Pastorin – mittlerweile in Hamburg-Farmsen zeigt sie schonungslos ehrlich alle Herausforderungen und Freuden, die das Leben als Christin, als Pastorin, als getrennt erziehende Mutter, als Frau so mit sich bringt. In einer Sprache, die wenig Kirchenstaub, dafür viel Empathie atmet. In einer Sprache, die sich nicht hinter frommen Floskeln versteckt, sondern nach neuem Ausdruck sucht. Beides gehöre eng zu ihr, so erzählt ihr: der Austausch und das Präsentieren auf Instagram und ihre Arbeit in der Gemeinde. Digital und analog. „Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass es eine ganz andere Form der Verkündigung gibt, die unbedingt dazugehört zu dem, was wir als Kirche tun. Auf der anderen Seite sage ich aber auch: Digitale Influencer:innen können niemals die Kirche vor Ort ersetzen. Analoge und digitale Nachfolge sollten Hand in Hand gehen.“ Diese verbindende Art war vielleicht auch mit ein Grund, weswegen sie vor einem Jahr in den Rat der EKD berufen und gewählt wurde. Ein Ehrenamt, das ihr viel – vor allem Organisatorisches – abverlangt, das sie aber auch erfüllt, Neues lernen und Dinge mitgestalten und verändern lässt: „Wir sind ein toller Rat. Wir streiten und diskutieren, aber es gibt keine Fronten. Ich erlebe ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander. Ich habe keinen Doktortitel, kein Bischofsamt und trotzdem werde ich als Phine ernst genommen. Es ist für mich ein Privileg, Kirche nach vorne zu bringen und zu prägen.“
Auch jenseits ihrer Rolle in der EKD ist Josephine Teske bestrebt, Kirchen und Glauben zu gestalten. Immerhin hat sie in ihrem eigenen Leben erlebt, wie veränderlich Glaube und Überzeugungen sind. Aufgewachsen in der wenig christlich-sozialisierten Uckermark, war Glaube schon immer ein Bekenntnis, wie sie sagt. Die Gemeinde wurde ihr zweites Zuhause. Und mit 13 Jahren beschloss sie: „Ich werde Pastorin.“ Daran hat sie festgehalten, obwohl das Studium einer Wüstenzeit glich. Sie erzählt, wie sie überlegt hat, etwas anderes zu machen, „doch allein der Gedanke ans Pastorinnensein hat mich erfüllt. Ich konnte und wollte nicht loslassen. Ich hatte immer im Stillen die Hoffnung: Wenn du dann mal Pastorin bist, wird Gott schon wieder da sein.“ Und er war da. Aber auf eine ganz andere Art, wie sie mit wässrigen Augen weiter berichtet: „Mein Sohn ist während der Geburt an einem Nabelschnurknoten gestorben. Ein Unfall. Nicht absehbar. Dieser Schmerzmoment hat mein Gottesbild gewandelt. Da habe ich erlebt: Gott kann vieles sein. In dem Moment war er der Gott, der mir dies Unsagbare antut, der mir mein Kind nimmt. Im selben Moment war es aber auch mein Gott, der mich trägt, auffängt und hält, auf den ich mich verlassen kann, bei dem mein Kind ist. Das hat mein Bild von diesem Gott, von diesem Beruf verändert. Ich bin jetzt nicht mehr Pastorin wegen der Gemeinschaft, sondern weil ich davon erzählen will, was Gott alles sein kann, wo er uns wehtun kann und trotzdem da ist.“ Und das tut sie. Sie erzählt von Gott in allen Facetten, analog und digital. Auf Instagram und auf einer Synode. Und sie erzählt davon, wie Kirche sein könnte. Verändert. Beweglicher. Leicht und luftig wie ein Zelt. Und sie fordert. Mahnt. Hofft. Dass Kirche sich auf ihre Kernaufgabe konzentriert, „die Frage der Menschen nach Sinn zu beantworten“. Dass sie sich nicht mit Zweitrangigem, mit „ihrer Verwaltungssucht“ beschäftigt. Dass Themen wie Gerechtigkeit, Diskriminierung, Rassismus und Feminismus häufiger auf der Tagesordnung stehen. Dass Kirche aufhört auszugrenzen, wo sie einen sollte. Dass Kirche mutiger wird und mehr Dinge ausprobiert. Nicht aus einem Gefühl des Mitgliedermangels und Zwang heraus, sondern weil es beflügelnd ist und „weil es Gottes Kirche ist“. Josephine Teske gibt zu: „Es kann sein, dass Gott sich nicht für diese Institution interessiert, aber er hat ein großes Interesse an Menschen in und neben dieser Kirche. Ihm ist es ein Herzensanliegen, dass wir Menschen begleiten in dem, was ihnen widerfährt, dass wir ihren Glauben stärken, ihre Zweifel aushalten.“ Genau das ist die Stärke der Hamburger Pastorin: Menschen empathisch begleiten, ihre Zweifel, Fragen und Suche aushalten und Glauben stärken. Wie gut, dass Kirche von und mit Leuten wie Josephine Teske lernen kann.