YouTube, Instagram, Spotify und TikTok stehen alle vor derselben Herausforderung: Sie brauchen Content, um ihre Plattform weiterhin attraktiv zu halten. Dieser Content nicht von selbst, sondern von den Nutzer:innen: User generated content. Youtube hatte diese Aufforderung zur Selbstverwirklichung lange mit „Broadcast Yourself“ als Slogan. Nutzer:innen sollen nicht nur Konsument:innen sein, sondern zugleich auch Produzent:innen, also “Prosument:innen”.
Nun ist es dieser Idee so ein wenig ergangen wie dem Priester:innentum aller Getauften: Es ist gut, dass jede:r darf und die Möglichkeiten hätte, doch am Ende geht es nicht um Möglichkeiten, sondern um Charisma, Talent und Leidenschaft, diese Möglichkeit auch mit Inhalten zu füllen. Denn das ist Arbeit. Richtig viel Arbeit. Und Arbeit muss eben auch bezahlt werden. Das hebt nicht die Notwendigkeit von Charisma und Leidenschaft auf, sondern schafft Freiheit, dem auch Raum geben zu müssen.
Mit zunehmender Professionalisierung der Plattformen, steigen auch die Ansprüche an den Content. Das führt dazu, dass zwar jede:r Nutzer:in etwas produzieren und hochladen kann. Aber nur wenige Creator:innen schaffen es, Inhalte zu produzieren, die für die Plattformen wertvoll sind. Wertvoll meint (in diesem Zusammenhang) Inhalte, die die Nutzer:innen interessieren, so dass sie die Plattform aufsuchen.
Dabei gibt es nur eine begrenzte Anzahl von guten Creator:innen, die jeweils nur eine begrenzte Anzahl an Zeit haben. Einen Kommunikationskanal zu bespielen ist ein Fulltime-Job. Deswegen suchen sich die Creator:innen ganz genau aus, auf welcher Plattform sie aktiv sind. Zwischen den Plattformen ist ein War for Talents entbrannt.
Die Plattformen versuchen den Creator:innen Infrastruktur zu bieten, die sie so gut wie möglich bei der Erstellung ihres Contents unterstützt. Neben Möglichkeiten, die eigene Arbeit zu monetarisieren wie Trinkgeld (Twitch), Merchandise Store (YouTube) oder virtuelle Geschenke (TikTok) ist auch der Support der Plattformen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Gerade TikTok investiert enorm viel in Kampagnen mit Creator:innen (z. B. #lernenmittiktok) und in Ansprechpartner:innen, falls Probleme auf der Plattform auftauchen.
Ja, die Plattformen wissen um die Wichtigkeit von Charisma und Leidenschaft bei gleichzeitig beschränkter Zeit. Sie wissen darum, dass sie nicht die einzigen sind, dass wichtig ist, gute Leute zu halten und sie zu unterstützen, damit Plattform und Creator:innen gemeinsam wachsen können. Oder anders: Damit Plattform und Creator:innen gemeinsam wachsen können, wird wertvoller Content unterstützt.
Und in Kirche?
Und in Kirche? Da kämpft niemand um Talente. Denn es herrscht viel zu oft die Auffassung, dass jede:r alles gleichermaßen lernen und dann auch umsetzen kann. Aber genauso, wie nicht jede:r ins Hospiz gehen kann, nicht jede:r gut predigen kann, so besteht eben auch nicht jede:r in sozialen Kanälen. Auf digitalen Kanälen gilt dasselbe wie im analogen Arbeitsleben: Nur wer Charisma und Leidenschaft für seine eigene Arbeit hat, wird auch den Workload ertragen.
Deswegen, liebe Kirche, kämpf um Deine Talente! Hör auf, den Creator:innen Vorschriften zu machen, wie sie arbeiten sollen, sondern unterstütze sie bei ihrer Arbeit. Denn nicht Du, liebe Kirche, bietest den Creator:innen etwas, sondern Sie Dir. Ohne Sie wirst Du es nicht schaffen, das Evangelium in der heutigen Zeit zu verkündigen.