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Leo XIV – ein Papst für „uns“?

Mittwoch

Ein neuer Papst als Oberhaupt der katholischen Kirche - was hat er mit den in Deutschland lebenden Katholiken oder gar der Fresh X-Bewegung zu tun? Genau das haben wir zwei katholische Theologen aus unserem Netzwerk gefragt: Tobias Aldinger und Felix Goldinger.

Glaubt ihr, dass die Ernennung von Leo XIV. zum Papst Auswirkungen auf Deutschland und den katholisch gelebten Glauben in Deutschland haben wird?

Felix: Was Leo betrifft, sind wir hier natürlich auch noch dabei, genau hinzuschauen und einzuordnen. Erste Signale deuten darauf hin, dass er ein starkes Gespür für den globalen Kontext mitbringt – soziale Gerechtigkeit, eine Kirche an der Seite der Armen, ein bewusst einfacherer Lebensstil. Das alles könnte Rückenwind für viele geben, die sich hierzulande für eine Kirche im Aufbruch einsetzen.

Tobias: Ja, auch ich hoffe, dass seine verbindende, zuhörende, bescheidene und synodale Haltung, die sich in den ersten Wochen zeigt, prägende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und Kirche haben wird.

Wisst ihr, wie er zu Innovationen, Reformen und Kirchenerneuerung sowie zur Ökumene steht? 

Tobias: Wessen Herz für Menschen am Rand schlägt, der ist aus meiner Sicht ein Kircheninnovator, denn nur wer echte Probleme lösen will, kann innovieren. Es geht letztlich um eine Inkulturation des Evangeliums. Dass diese gelingt, dazu braucht es die Vielfalt an Formen von Kirche, die wir ja mit der Fresh X Bewegung unterstützen. Was es dazu vom Papst bräuchte: mehr Dezentralisierung, d.h. weniger Regulierung, die die ganze Weltkirche betrifft. Ob Papst Leo dies weiter voranbringt, kann ich noch nicht einschätzen. Was er aber nach den jetzigen Anzeichen tut: Eine offene, freimütige Gesprächskultur zu fördern, die auch Kritik an der eigenen Kirche impliziert.

Felix: Ich fand seine Predigt zur Amtseinführung sehr gut – da finden sich durchaus Anknüpfungspunkte zu unseren Themenfeldern. Er betont sehr stark die Liebe und die Einheit als Kern seines päpstlichen Dienstes. Das ist kein rein spirituelles Pathos, sondern hat ganz praktische Implikationen: Kirche soll geschwisterlich, dienend und aufopferungsvoll sein – nicht herrschaftlich oder abschottend. Für uns, die wir in Deutschland an innovativen Formen kirchlichen Lebens arbeiten, kann das ein Rückenwind sein: Leo spricht nicht von zentralistischen Steuerungsimpulsen, sondern von einer Kirche, die Sauerteig der Einheit ist – das lässt Spielraum für kontextuelle und kreative Wege. Interessant ist auch sein ökumenischer Akzent: Er nennt explizit den gemeinsamen Weg mit den christlichen Schwesterkirchen und spricht von einer versöhnten Welt. Dabei geht es ihm nicht um Einheitsillusion, sondern um ein Miteinander in Verschiedenheit – das passt gut zu unserem ökumenischen Miteinander hier in der Region.

Worauf stellt ihr euch in euren Bistümern ein?

Felix: Ich erwarte nicht, dass von Rom aus unmittelbar strukturelle Reformen angestoßen werden. Aber seine geistliche Ausrichtung und sein Tonfall könnten dazu beitragen, dass auch innerhalb der deutschen Kirche mehr Mut zu geistlich begründeten Aufbrüchen wächst – und dass Initiativen wie Fresh X oder die Entwicklung neuer Segensorte sich auf eine wohlwollendere Atmosphäre stützen können. Was wir hier im Bistum tun, wird also nicht „von oben“ gesteuert, aber vielleicht durch diesen neuen Stil gestärkt: weniger Angst, mehr Miteinander, mehr Liebe.

Tobias: Genau. Wir werden auch weiterhin am Entschiedenen arbeiten: Wie kann ich mich persönlich vom Evangelium prägen lassen und wie kann ich im Sinne Jesu in meinem Umfeld positiv wirken. Das Gute ist ja: Pioniermenschen braucht man nicht zu sagen, was sie zu tun haben, schon garnicht aus Rom. Sie freuen sich aber, wenn auf der ganzen Welt und auch in Rom sich was bewegt.


Tobias Aldinger ist Pionier in der Erzdiözese Freiburg. Er arbeitet dort unter anderem an den Themen Glaubenskommunikation, Evangelisierung und Seelsorge. Außerdem ist er Teil von Gründergeist.

Felix Goldinger ist Leiter der Stabsstelle für Innovation und Transformation im Bistum Speyer. Auch er ist Fresh X-Pionier von der Pike auf und Teil von innovativen Kollaborationen wie Gründergeist oder da-zwischen.

Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.