inspiriert

Bewegung, die bewegt

14. Mai

Glaube und Sport: Wie passt das denn zusammen? Welche Möglichkeiten ergeben sich durch Sport für den Glauben und durch Glauben für den Sport? Da Sport bekanntlich Teamwork ist, haben Saskia von Münster und Nadine Knauf vom CVJM ihre Gedanken zu unseren Fragen gemeinsam aufgeschrieben.

Das Potenzial des Sports

Sport hat definitiv großes Potenzial, mit Menschen in Kontakt zu kommen und über den Glauben zu reden. Sport kann niederschwellig sein, hat ein großes Aufforderungspotenzial, verbindet Menschen aus verschiedenen Kulturen, Milieus, Altersgruppen u.v.m. Sport hat – zumindest so, wie wir ihn sehen und leben – den Menschen als Ganzes im Blick, mit Körper, Seele und Geist. Sport ist aktiv, erlebbar und ein optimaler Lern- und Erfahrungsraum für Persönlichkeitsentwicklung und dient der Gesundheitsförderung. Beim Sport im Verein, aber auch im unorganisierten Freizeit-Sport lernen gerade Kinder und Jugendliche, sich in Gruppen zurechtzufinden, sich selbst zu behaupten, können demokratische Strukturen kennenlernen und aktiv Mitbestimmung und Solidarität erleben.

Dieses Potenzial nutzen wir im CVJM und sollte auch Kirche unbedingt nutzen, und mehr Sport und Bewegung in ihren Strukturen anbieten und fördern. Deshalb lobt z.B. der CVJM Deutschland seit 2016 den MOVE-Ehrenamtspreis aus, der Ideen und Projekte für Sport und Bewegung im christlichen Kontext auszeichnet.

Die negativen Aspekten des Sports

Natürlich wissen wir, dass Sport auch negative Folgen haben oder Fehlentwicklungen mit sich bringen kann, z.B. Leistungsdruck, Doping, Kommerzialisierung, Missbrauch und Gewalt, Sucht, Ausgrenzung … (wie eigentlich alles positiv und negativ sein kann – auch z.B. Religion, wenn daraus Fanatismus wird.) Auch deshalb ist es wichtig, sich als Kirche und/oder religiöse Organisationen mit Sport auseinanderzusetzen und ggf. als Korrektiv zu wirken und sich für wertorientierten Sport einzusetzen.

Hier sind z.B. der Arbeitskreis Kirche und Sport der EKD (und auch Arbeitskreise auf Landeskirchenebene) und der Sportbeauftragte des Rates der EKD Dr. Thorsten Latzel aktiv. Großsportveranstaltungen werden von der Kirche begleitet und z.B. bei den Olympischen und Paralympischen Spielen sind Seelsorger mit dabei (ökumenisch aufgestellt). Außerdem sind der CVJM, die DJK (katholischer Sportverband) und Makkabi (jüdischer Sportverband) als Verbände mit besonderen Aufgaben (VmbA) Mitglieder im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Deutschen Sportjugend (dsj) und somit Teil des organisierten Sports und gestalten diesen mit.

In pädagogisch begleiteten Prozessen (z.B. in Schule, (kirchlichen) Vereinen und Sportangeboten von kommerziellen Trägern) können bestimmte Facetten dieser Ambivalenz des Sports auch gezielt genutzt werden, um Lern- und Bildungsprozesse bewusst anzustoßen.

Anknüpfungspunkte zwischen Glaube und Sport

Es gibt viele Parallelen und Anknüpfungspunkte zwischen Glauben und Sport, z.B. die Frage nach dem, was im Leben zählt, der Umgang mit Siegen und Niederlagen, der Umgang mit sich selbst und miteinander, das Team als ein Leib mit vielen Gliedern u.v.m. Auch wenn es in der Bibel nur wenige aussagekräftige Stellen zum Thema Sport (zu finden v.a. in den Paulusbriefen) gibt: ein Glaubensleben ohne Bewegung und ohne Begeisterung kann man sich kaum vorstellen. Die Bibel ist ein Buch voller „bewegter“ Geschichten – im übertragenen Sinne, aber vor allem auch im wörtlichen Sinne. Die Wüstenwanderung des Volkes Israel, Jakobs Kampf am Jabbok, Davids Kampf gegen Goliath, Jesu Wanderungen und Paulus‘ Reisen sind nur einige Beispiele für Geschichten voller Bewegung und Veränderung in der Bibel. Und das Wichtigste daran: es geht ja nicht allein darum, dass die Menschen sich in diesen Geschichten bewegt haben, sondern um die Frage, warum sie das für ihren Glauben getan haben. Es geht immer um die individuelle Beziehung zu Gott und zu Jesus und um Gottes und Jesu Beziehung zu uns. Diese Beziehungs-Kraft bringt uns in Bewegung und fordert uns auf, hinauszugehen (man denke nur an die Pfingst-Geschichte), zu den Menschen zu gehen, dorthin zu sehen, wo Menschen sich begeistern lassen… So entsteht eine zweifache Bewegung: Menschen lassen sich durch Sport bewegen und wir als Christ*innen gehen aktiv auf Menschen im Sport zu, nehmen wahr, was sie bewegt und warum sie sich bewegen. Indem Christ*innen (und Kirchen) auf Menschen zugehen und selbst aktiv werden (z.B. durch eigene Sport-Angebote), zeigen sie Interesse und nehmen Anteil an dieser Lebenswirklichkeit.

Diese Verbindungen zwischen Glauben und Sport nehmen wir beim CVJM bewusst auf und haben z.B. in einem „CVJM bewegt“ Impulsheft gefragt, was die motorischen Grundeigenschaften Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit für eine Rolle im Leben und Glauben spielen. In den nächsten Wochen erscheint eine Fortsetzung unter dem Titel „Glaube. Werte. Sport.“ Darin setzen wir uns mit der Bedeutung von (sportlichen) Werten Leistung, Mut, Fairness, Respekt, Zusammenhalt, Vielfalt auseinander. Bei Emmaus Sport wurden Gedanken und Andachten für Sportgruppenleiter*innen zusammengestellt, die aus der Erfahrungswelt des Sports schöpfen, sich auf konkrete Fragen des Lebens beziehen und helfen können, dass das Reden über Gott und Glauben auf natürliche Weise in Bewegung kommt.

Sport als Ersatzreligion?

Es ist immer wieder faszinierend, wie manche Christ*innen besonders besorgt auf „den Sport“ als mögliche Ersatzreligion blicken. Klar, es ist schon so: Sport und Sportveranstaltungen faszinieren, Sportler*innen können ein großes Charisma haben und Menschenmassen begeistern. Und so manches Fußballspiel erinnert in seinen Formen vielleicht an einen gut vorbereiteten Gottesdienst. Grundsätzlich birgt ja jeder Bereich unseres Lebens die Gefahr, zur Ersatzreligion – zum Zwang – zu werden. Für Christ*innen kann eine große Sportbegeisterung gleichzeitig mit einem tiefen Glauben bestehen, denn ein Sportstar oder auch die eigene Fitnessroutine wird dann nicht zum Non-plus-Ultra, sondern bleibt ein Teil von Gottes Schöpfung. Christ*innen sind sich dessen bewusst, dass Sport ein Teil dieser Welt ist – und dass Gott den Menschen vertrauensvoll immer die Freiheit lässt, ob wir heute ins Olympiastadion gehen oder in die Kirche, ob wir joggen gehen oder einen schönen Film auf der Couch ansehen (oder die TV-Übertragung eines Gottesdienstes), ob wir beten oder Stadionhymnen singen (oder vielleicht beides gleichzeitig).

Absonderungen oder Miteinander?

Manchmal ist es hilfreich, eigene Strukturen zu haben, wo man z.B. auch Regeln und Formate selbst bestimmen kann, wo man einen geschützten Rahmen hat und ganz bewusst auch seine Religion im Sport leben kann. Außerdem kann man in diesem geschützten Rahmen bestimmte Werte bewusster ausleben und dafür einstehen als in einem Setting, in dem es – oft aus unterschiedlichen und nachvollziehbaren Gründen (und natürlich nicht in allen Vereinen!) – vorrangig um Leistung, Siege und Talentsichtung geht.

Oft sind christliche Angebote ja trotzdem auch offen für alle Interessierten – unabhängig von ihrem Glauben. Vielleicht kann gerade auch in der bewussten pädagogischen (wertorientierten) Begleitung junger Heranwachsender in Zukunft ein wichtiges Potenzial kirchlicher und christlicher Sportarbeit liegen.

Auf der anderen Seite gibt es z.B. mit SRS auch Organisationen, die gezielt in den „regulären“ (Vereins-)Sport gehen und sich gerade nicht abgrenzen, sondern als Christ*innen in die Welt gehen, sich im Sport vernetzen und gegenseitig zurüsten wollen. Beides hat seinen Charme und seine Daseinsberechtigung und kann unserer Meinung nach gut nebeneinander bestehen. Wichtig erscheint es uns aber, Überungsleiter*innen und Trainer*innen in kirchlichen/christlichen Strukturen mit einem besonderen Augenmerk auf Wertevermittlung und beispielsweise einer „Pädagogik der Vielfalt“ (oder ähnlichen Ansätzen) zu schulen. Nicht nur, um das eigene Profil zu schärfen, sondern um dem eigenen Anliegen und Antrieb auch gerecht zu werden.

Ambivalenz von Sport

Die Ambivalenz des Sports macht auch seine Faszination aus. Kein anderer gesellschaftlicher Bereich scheint so sehr zwischen Extremen zu pendeln wie „der Sport“. Es geht gleichzeitig um Freizeit und Beruf, um Gesundheit und Gesundheitsgefährdung, um Fairness und Betrug, um Gegner und Freundschaften, um Sieg und Niederlage, um Geld und Ideale … Diese Ambivalenz in sich ist zugleich Gefahr und Chance für Lern- und Bildungs- und Trainingsprozesse in Vereinen und kirchlichen/christlichen Organisationen. Diese gilt es in ihrer Umfänglichkeit noch auszuloten, da stehen wir mit unserer Arbeit an einem guten Anfang.

Aber Moment, wer hat hier nochmal den Tod mit Leben überwunden? Wenn das mal kein „Pendeln zwischen Extremen“ ist …


Sportliche Beispiele aus der Welt des CVJM

Bücher und Arbeitsmaterialien für die Praxis

Struve, Henrik/von Münster, Saskia (Hg.) (2021). CrossMove. Sport bewegt Menschen. Eine Chance für Gemeinden und Verbände. Stuttgart: buch+musik.

Heinzmann, Gottfried (Hg.) (2015). Emmaus Sport. Dein Leben in Bewegung. Neukirchen-Vluyn/Stuttgart: Neukirchener Aussaat/buch+musik. (40 Impulskarten für Training und Andacht)

Reihe zur Erlebnispädagogik: „Sinn gesucht – Gott erfahren“. Stuttgart: buch+musik. (unterdessen 5 Bände: https://ejw-buch.de/pub/media/wysiwyg/werbemittel2022/fsg.pdf)