Als [ehemaliger] Pfarrer der Evangelisch-methodistischen Kirche […] studiere, lese und schreibe ich mit Leidenschaft. Vor zwei Jahren jedoch merkte ich, dass ich ein anderes Hobby brauche. Eines, bei dem ich abschalten und meine Aufmerksamkeit auf anderes als Glaube, Gott, Bibel und Bücher richten kann. Meine Wahl fiel auf das Bogenschießen. Ein Sport, bei dem man sich etwas mehr bewegen muss als beim Schachspiel, sicher aber weniger als bei Fußball & Co.
Feuer gefangen und Taten geschaffen
Mit einem Freund […] besuchte ich einen Einführungskurs ins intuitive Bogenschießen und rasch war unsere Freude an diesem ruhigen Sport geweckt. […] Wir wollten das neu entdeckte Hobby unbedingt weiterführen. So gründeten wir noch am letzten Kursabend einen Verein. In den kommenden Tagen setzte ich eine Webseite auf, einer der Freunde entwarf ein Logo und „arcum“ (lat.: Bogen) war geboren.
Etwas frech und mit wenig Kenntnissen im Bogensport habe wir begonnen, selber Einführungskurse anzubieten. Was wir nicht wussten, haben wir uns angelesen und vor allem angeschaut – YouTube sei Dank! Später haben wir uns als Kursleiter weitergebildet und etliche Personen ins intuitive Bogenschießen eingeführt. Das Altersspektrum der Kursteilnehmenden reichte dabei von 15 bis 75 Jahre. Wöchentlich boten wir Trainings an. Wir besuchten auch sogenannte 3D-Parcours. Hier sind wir als Gruppe im Wald unterwegs und schießen auf die bereitgestellten Tiere aus Kunststoffschaum.
Raus aus dem Gedankenkarussell
Was mich fasziniert: Beim Bogenschießen kann ich abschalten, ruhig werden und meine Konzentration ganz auf das Ziel ausrichten. Verbunden mit der richtigen Atemtechnik höre meine Gedanke auf zu kreisen. Ich konzentriere mich auf einen guten Stand, korrekte Bewegungen, spanne und lasse los. Bogenschießen ist für mich ein Sinnbild des Lebens, bestehend aus Aktion und Kontemplation.
Oder wie Haringke Fugmann in seinem Buch „Meditatives Bogenschießen“ schreibt: „Der Bogen ist für uns ein Lehrer: Aus welchem Holz bin ich geschnitzt? Wo ist mein Stand? Worauf ziele ich? Wie viel Spannung halte ich aus? Kann ich loslassen? Habe ich Geduld? Wo liegt meine Aufmerksamkeit?“
Nebeneffekt Gottesbegegnung
Im Verein boten wir auch meditatives Bogenschießen an. Einmal wöchentlich trafen wir uns in einer kleinen Gruppe für rund 1,5 Stunden. Die Teilnehmenden waren nicht kirchlich sozialisiert, aber auf der Suche nach mehr, als uns ein materialistisches Weltbild bieten kann. Der ganze Abend verlief im Schweigen und war stark ritualisiert: ein Zitat oder Bibelvers zum Einstieg; konzentriertes Schießen; Sitzen im Schweigen; Schießen; Segensspruch; und dann in der Stille und mit der Ruhe zurück in den Alltag.
Im meditativen Bogenschießen öffnen wir einen Raum zur Begegnung mit Gott. Was genau in der Stille geschieht, können und wollen wir nicht steuern. Wir vertrauen auf den Heiligen Geist. Beim letzten meditativen Bogenschießen sagte eine Teilnehmerin: „Jeder Moment war heilig.“ Da geschieht etwas. Bogenschießen aus der Ruhe und Sitzen im Schweigen lösen Momente der Resonanz aus (Hartmut Rosa). Ich sehe dieses Angebot als sehr spezifische, aber aktuelle Möglichkeit, um Menschen auf ihrer Suche nach Spiritualität abzuholen und Resonanzachsen zum Schöpfer aller Dinge aufzubauen. […]
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift MOVO (04/2019). MOVO ist das Männermagazin der SCM Bundes-Verlag gGmbH und wird vom Chefredakteur Rüdiger Jope geleitet.
Der Autor Dave Jäggi arbeitet inzwischen nicht mehr als Pastor in der EmK; ebenso ist die Webseite arcum.ch nicht mehr erreichbar. Über sein Leben, seine Spiritualität und seine Visionen von Kirche hat er mit Katharina und Rolf im Frischetheke-Podcast gesprochen. Wir haben uns entschieden, den Artikel dennoch zu bringen, weil selbst bei nicht-Existenz des Vereins die Erfahrungen und auch die Inhalte, das intuitive und meditative Bogenschießen allgemein, spannend sind.