Der Traum von einer Zirkuskirche
Im Zirkus ist es wie im Glauben. Wir dürfen uns ausprobieren, Fehler machen und wieder neuanfangen. Genauso begann auch die Idee unserer Zirkuskirche. Vor einem Jahr setzten sich zwei junge Erwachsene zusammen. Die eine ist in ihrer Kindheit im Kinder- und Jugendzirkus aufgewachsen. Der andere steckte mitten in einer pädagogischen Ausbildung für inklusive Zirkuskünste. Die Idee war klar: Wir wollen Zirkus in der Kirche machen, damit sich auch wieder Menschen in unserem Alter für die Kirche interessieren.
Losgehen
In den nächsten drei Monaten begaben wir uns auf die Suche nach Mitstreiter:innen. Ein Prozess, der sich als sehr mühsam herausstellte. Den einen war Zirkus in der Kirche „zu unchristlich“, die anderen „ehrenamtlich zu überfordert, um was Neues auf die Beine zu stellen“. Willkommen in der Welt einer evangelischen Kirchgemeinde! Willkommen in dem Konzept einer Zirkuskirche, dass es so noch nicht gibt, um abspicken zu können. Letztendlich war es ein Praktikum in die Zirkustherapie einer Kinderrehabilitationsklinik, durch welches das Gefühl aufkam, dass die ganze Zirkusidee von G*tt unterstützt wird. Am ersten Zirkusabend Anfang August 2024 kamen tatsächlich um die vierzig neugierigen Personen von jung bis alt in die Kirche. Gemeinsam probierten wir die Zirkusdisziplinien aus und steckten einen Rahmen mit Liedern und Segen. Ein experimenteller Abend – nur die jungen Erwachsenen fehlten.
Hinfallen
Schnell war klar: Das Bild von Zirkus müssen wir erstmal „aufbrechen“. In vielen Köpfen wird Zirkus noch immer mit einem Zelt, Tieren und Kinder, die Pyramiden bauen, in Verbindung gebracht. Dabei meint Zirkus letztendlich nur ein Kreis, in der alle Menschen neue Bewegungen ausprobieren und aktiv mitmachen. Es geht um das Geschehen in der Manege. Zumindest in unseren Köpfen. Wir mussten also das Bild verkleinern und in den nächsten drei Monaten erarbeiten wir mit einem jungen Erwachsenen mit einer geistigen Beeinträchtigung den nächsten Zirkusabend. Wir wollten in der Kirche eine Bahnhofshalle erschaffen und mit Hilfe von Jongliertüchern die Geschichte des Ankommens erzählen. Unterstützen würde uns dabei die Lobpreisband. Die Idee war gut, die Kirche wieder mit um die vierzig Personen besucht, aber die Umsetzung jedoch schwierig. Oder lässt sich schon gescheitert sagen, wenn die Konfirmanden die Bedeutung der Jongliertücher in der Choreographie umdeuten und mit diesem „Omakopftuch“ durch die Kirche tanzen während die Band versucht die Kinder mit „Die Affen rasen durch den Wald“ zu unterhalten?
Aufstehen
Wie soll es weitergehen? Nach diesem Erlebnis ging uns erstmal die Energie aus. War das wirklich G*ttes Idee von einer Zirkuskirche? In den Wintermonaten gingen wir aller zwei Wochen mit dem Zirkuskoffer in die nahegelegene neurologische Kinderrehabilitationsklinik und blickten in strahlende Kinderaugen, die das erste Mal trotz ihrer Erkrankung Zirkus ausprobierten. Da blitzte die gute Botschaft auf: Es gibt Hoffnung! Die Hoffnung wuchs und spiegelte sich in einem plötzlichen Kontakt mit einer Klinik-Clownin wieder. Sie würde gerne einmal in einer Kirche auftreten, hat sich bisher aber noch nie getraut, aus Angst den Glauben ins Lächerliche zu ziehen. Das war kurz vor dem nächsten Zirkusabend; der dann im Februar 2025 in einer Friedhofskapelle mit eben dieser Klinik-Clownin stattfand. Mit drei Kindern studierten wir im Vorfeld eine kleine Vorführung ein. Zwei Gemeindemitglieder gestalteten einen Impuls zu „Alles hat seine Zeit“ und ein Blechbläserorchester musizierte dazu. In fünf Workshops erlernte das Publikum, bestehend aus fünfzig Kinder und Eltern, in einer halben Stunde eine Zirkusdisziplin und führten die Pois, Laufkugel, Diabolo, Seil und Musik anschließend in einer kleinen Show, moderiert von der Klinik-Clownin auf. Die Vorstellung endete mit einem gemeinsamen Tanz.
Weitergehen
Es ist etwas entstanden, was ganz klein aufblüht. Nach diesem Zirkusabend, zu denen wir die Familien mit Postkarten eingeladen hatten, ist eine gute Energie entstanden. Viele Kinder waren neugierig, sodass wir Anfang April 2025 das erste Mal einen Kinderzirkustreff ausprobierten – auf Basis desselben Konzeptes wie der Zirkusabend. Nur durften die Erwachsenen erst am Ende der drei Stunden zur Aufführung dazukommen. Bei diesem Treff waren auch Kinder aus dem Kindergarten dabei, wo wir erstmalig Zirkus im Sportunterricht angeboten haben. Ganz langsam zeigt sich ein neuer Traum: Der Zirkus soll als Kirche zu den Menschen gehen, als sogenannte Zirkuskirche mit eigenem Logo. Er soll Gutes tun: Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit geben, Zirkus auszuprobieren. Im Moment entstehen die ersten Kooperationen mit der Diakonie und der Lebenshilfe. Und besonders soll diese Zirksukirche Gemeinschaft leben und in dem sozialen Brennpunkt Dresden-Prohlis ein „Manegenlicht sein“. Den Zirkusabend selbst haben wir im Mai ein letztes Mal angeboten und dazu eine befreundete Zirkusgruppe eingeladen. Der Aufwand war zu groß und es wurden am Ende überwiegend „Innerkirchliche“ erreicht.
Unsere Hoffnung und unsere Vision werden wir von G*tt tragen lassen. Jetzt werden wir uns von G*tt tragen lassen. Dorthin, wo Zirkus etwas mitgibt, was die Menschen tröstet, sie prägt und sie antreibt.