inspiriert

Jesus ist anders als erwartet

03. Juli

Im ersten Teil "Unterbrechung im Alltag" hat Katharina Haubold drüber nachgedacht, wo Jesus uns in unserem Alltag begegnen kann - wenn wir uns rausreißen, unterbrechen, ablenken lassen. Heute sinniert sie, wieso Jesus oft nicht so gut zu unseren Erwartungen passt.

Hier geht es zum ersten Teil des Artikels.

Wenn es doch so einfach wäre! Wenn es nur so einfach wäre, Jesus zu begegnen. Gott zu erleben. Den Heiligen Geist zu spüren. Für die Frau am Brunnen war das ja verhältnismäßig leicht. Er saß ja physisch da, dieser Jesus. Hat ja ganz hörbar geredet. Sie konnte wirklich ihre Fragen loswerden. Hat gemerkt, dass Jesus sie versteht. Was haben wir denn?

In meinem Leben scheint das nicht so eindeutig zu sein, in meinem Leben sitzt da keiner auf dem Küchenstuhl, in meinem Leben bin ich ja schon froh, wenn ich den Eindruck hab, dass mir dieser Jesus in Gottesdiensten und kirchlichen Veranstaltungen begegnet und die finden ja grad eh so ganz anders statt.

Wie erkenne ich denn, ob er sonst da ist? Wie weiß ich denn, ob ich es mit ihm zu tun habe? Wohin kann ich andere denn mitnehmen, wenn ich selbst begeistert bin?

In meinem Alltag gibt es da ganz unterschiedliche Erfahrungen. Erfahrungen, die ich als sehr intensive Gotteserfahrungen beschreiben würde. Momente, die mich tief berühren und die tatsächlich tun, was in dieser Geschichte hier geschieht: die unterbrechen und mich denken lassen: Das Heilige und das Alltägliche sind durch Jesus völlig miteinander verwoben. Diesen Unterbrechungsmomenten will ich besondere Aufmerksamkeit schenken:

Ich denke an die Begegnung mit einer Frau in der Stadt.

Eigentlich wollte ich nur schnell etwas einkaufen, hatte keine Zeit und plötzlich spricht sie mich an – fragt mich nach einer Adresse. Ich will ihr schon schnell den Weg erklären, da fällt mein Blick auf ihre Füße. Sie trägt keine Schuhe. Ich halte inne. Blicke wieder auf. Frage noch mal nach. Es stellt sich heraus, dass sie aus der Seniorenwohnanlage direkt bei mir um die Ecke kommt. Ich lasse mich unterbrechen, ändere meine Pläne, wir gehen gemeinsam zu ihr. Auf dem Weg reden wir. Und ich blieb mit der Frage zurück: Wer sind eigentlich die Menschen in meiner Nachbarschaft? Was bewegt sie? Was brauchen sie? Und frage mich, ob hier nicht viel mehr als die Begegnung von zwei Menschen stattgefunden hat. In dieser Frau ist mir Gott begegnet. Mit dem Hinweis auf das, was wirklich wichtig ist. Ein heiliger Moment.

Ich denke an die Bilder und Nachrichten von den Flüchtlingen im Mittelmeer.

Sie unterbrechen mich immer wieder neu. Und ich spüre eine Frage in mir, die nicht aus mir selbst kommt: Kümmert es euch nicht, kümmert es dich nicht, dass unsere Leben nicht so viel wert sind wie eure? Sie unterbrechen mich. Lassen mich meine Privilegien wahrnehmen, fordern eine Reaktion. Ich werde wütend und zornig und fühle mich hilflos. Heilige Momente. Gott unterbricht mich und fragt: Was ist wirklich wichtig?

Ich denke an die Kinder in meinem Umfeld.

Auf ihre ganz eigene Art machen sie mich darauf aufmerksam, wie selten ich wirklich „da bin“. Sie fordern mich auf: Nun leg doch mal das Handy weg, nun schaukel‘ doch mal und spiel mit uns Playmobil. Sei doch mal im Moment, ganz im Hier und Jetzt, bei uns! Ich glaube, das sind heilige Unterbrechungen, die mich aufmerksam werden lassen auf das, was gerade wirklich dran ist.

Ich denke an Momente voller Lebendigkeit.

Es sind die Momente, in denen ich mich besonders lebendig fühle: Wenn ich auf meinem Stand Up Paddling Board unterwegs bin. Bei einem Waldspaziergang. Überhaupt, wenn ich Natur erlebe. Wenn ich mit Freunden und Freundinnen – hoffentlich bald wieder – in lauen Sommernächten zusammensitze. Eigentlich immer da, wo sich tiefe Gespräche ergeben.

Da, wo es um die Quellen geht und ich von meiner Quelle, DER Quelle für mich, erzähle. Wo es um das geht, was Kraft gibt. Das Lebenselixier.

Und mittendrin, mitten im Alltag beginnen dann Gespräche der ganz anderen Art. Wir bewegen wunde Punkte und offene Fragen. Die Fragen, die wir in uns tragen, kommen zur Sprache. Und ich erwarte und entdecke Gott darin.

Weil seine Liebe keine Gebäude braucht, und seine Gegenwart keine Veranstaltung. Weil die Grenze zwischen „heilig“ und „alltäglich“ aufgehoben ist und Gottes Gegenwart sich in jeden Augenblick hineinwebt.

Kennst du auch diese Momente?

Die Momente, wo sich dieser Jesus, dieser Gott mitten in unseren Alltag setzt. Mitten in die Routine.

Ich glaube: Es lohnt sich, sich dann unterbrechen zu lassen. Hinzuspüren. Zu staunen. Mit innerer Offenheit und dem Gebet: Gott, was entdecke ich hier jetzt von dir? Alleine. Und vielleicht sogar miteinander und durch andere. Und Begeisterung bleibt. Oder heilige Unruhe oder sogar heiliger Zorn. Oder eine neue Frage. Oder eine Erkenntnis. Oder eine Idee, die umgesetzt werden will.

Wo erlebst du, dass Gott sich mitten in deinen Alltag setzt? Dass Gottes Liebe keine Gebäude braucht? Und dass du dich unterbrechen lässt?

Gemeindepädagogin bei den Beymeistern in Köln-Mülheim und Referentin für Fresh X an der CVJM Hochschule