Serie: Frische Kirche für morgen gestalten, Teil 7
Der Rasen ist noch taunass von der Nacht, doch die Sonne scheint und wärmt, sodass wir beschließen, mit unseren Kaffeetassen nach draußen zu gehen. Auf nen Kaffee angekündigt hat sich Jonte Schlagner, der mit einem Team mitten in der Iserlohner Innenstadt (kein hippes Vorzeigeviertel), im Sozialraum, einen Coworking-Space starten will.
Das letzte, worüber wir berichtet hatten, waren die „Erprobungstage“ im November in einem (hippen) alten Industriegebäude, nur einen Steinwurf von der Location entfernt, die es eigentlich werden soll. Der Raum, den Jonte und sein Team gerne für „Frohet Schaffen“ nutzen würden, ist ein Flachbau, der direkt an ein Hochhaus, im schönsten Plattenbaustil, an einer Hauptverkehrsstraße, liegt. Kein hipper Charme. Kein Industrie-Chic. Dafür Herzensraum. Und Sehnsuchtsort.
Stolper- und Meilensteine
Blöderweise gestaltet sich die Kommunikation mit dem Besitzer, einer Hedgefond-Gesellschaft, als – nun ja – schwierig. Doch – Halleluja – langsam kommt Bewegung in die Sache. Jonte hat inzwischen einen Schlüssel zu den Räumen, zusammen mit der Architektin können notwendige Baumaßnahmen besprochen und geplant werden und vielleicht können in diesem Jahr auch endlich, endlich, endlich Mietverträge unterschrieben werden. Das wäre ein echter Meilenstein.
Während Jonte von den Schattenseiten des Projekts spricht, erhellt die Sonne weiter sein Gesicht. Und während es in den physischen Räumen nur schleppend weitergeht, eröffnen sich für Jonte und sein Team digitale Räume. Orte, um Visionen zu teilen. Orte, um zu netzwerken. Orte, um zu lernen. So nahm er unter anderem kürzlich am Fachtag „Kirche & Coworking“, organisiert von der evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (mi-di) teil. Neben zwei Fachvorträgen (einer von Dr. Thorsten Latzel und einer von Dr. Alexandra Bernhardt) wurden online verschiedene Workshops angeboten – unter anderem einer von Jonte zum Thema Gründung eines sozialen Coworking-Spaces. Dieser Fachtag hat noch mal einiges neu bei Jonte ins Rollen gebracht. Neue Gedanken, die eigentlich schon tief in ihm schlummerten zutage gefördert. Nämlich wie Kirche sich geben und zeigen sollte. Ja, vielleicht auch als Gastgeberin. Als Community-Bildnerin. Als Dienstleisterin. Aber auch als Teil von etwas Größerem. Als Mitspielerin. Jonte Schlagner drückt das so aus: „Wo kann Kirche Wertschätzung für bestehende Strukturen ausdrücken, an Bestehendes anknüpfen und Teil von etwas werden? Wie cool wäre es, wenn sich Kirche an Stadtteilinitiativen, an Vereinen oder Projekten beteiligt?“ Und ja, es stimmt. Kirche ist es vielerorts gewöhnt, Dinge selbst machen zu wollen. Zu sagen: „Cool, was ihr da macht, das machen wir auch.“ Oder: „Cool, was ihr da macht, könnt ihr das auch bei uns machen?“ Aber wie wäre es, wenn Kirche auch mal fragen würde: „Cool, was ihr da macht, können wir euch dabei irgendwie unterstützen?“ Mehr Wertschätzung. Mehr Unterstützung. Mehr Beteiligung. Weniger Selbstbeweihräucherung. Weniger Konkurrenz. Weniger Vereinnahmung.
Teil von etwas Gutem
„Ich wünsche mir, dass Kirche noch viel mehr Teil der Welt wird und an das Gute, das Bestehende anknüpft. Dass sie Teil von dem wird, was schon an Gutem besteht und zusammenarbeitet mit den Leuten des Friedens.“ Jontes Wunsch, Vision von einer Kirche für morgen, könnte zumindest im Coworking-Space „Frohet Schaffen“ Teil der Realität werden; wie es auch schon bei anderen Coworking-Spaces geklappt hat. So ist Teil des „Frohet Schaffen“-Teams Markus Schäper, Fresh X-Pfarrer in Iserlohn. Der Kirchenkreis und die bestehenden Ortsgemeinden sind ebenso Teil des Netzwerks wie Leute des Stadtmarketings, der Wohnungsbaugesellschaft und dem Stadtrat, Verantwortliche der Diakonie, AWO und Caritas.
Wie schnell es weitergeht, weiß niemand. Der Zeitplan, der mal vorsah, dass „Frohet Schaffen“ im Herbst 2021 Eröffnung feiert, wurde längst über den Haufen geworfen. Auch im Jahr 2022 rechnet niemand mit einer Einweihungsparty. Und auch wenn das schmerzhaft ist und nach Scheitern aussieht, so ist doch in der letzten Zeit etwas gewachsen, dass so viel wichtiger ist als ein Raum, ein Gebäude. Eine Community. Ein Netzwerk, eine Gemeinschaft an Leuten, die in der Kleinstadt etwas verändern wollen. Die nach neuen Formen des Arbeitens und nach frischen Formen von Kirche suchen. Das ist im Übrigen auch der Weg, den Kirche als Raum- und Gastgeberin eines Coworking-Spaces gehen sollte, den Dr. Alexandra Bernhardt in ihrem Vortrag auf dem Fachtag „Kirche & Coworking“ skizzierte. Erst eine Community gründen und dann einen Raum eröffnen. Erst Menschen begegnen und die dann einladen, mitzugestalten. Und so gesehen, sind Jonte und sein Team absolut auf dem „richtigen“ Weg.