Der VRK ist eine Versicherung; der Versicherer im Raum der Kirchen. Und dann gibt es die Akademie. Wie hängt das zusammen?
Matthias Stracke-Bartholmai: Die Akademie ist ein vom Versicherungsgeschäft getrenntes Engagement des VRK. Der VRK selbst macht Versicherungen, sponsert vielleicht auch mal die eine oder andere Veranstaltung, aber die breite inhaltliche Arbeit an kirchlichen Themen kommt durch die Akademie.
Es ist aber eher ungewöhnlich, dass ein großer Versicherer eine Akademie gründet, um sich gesellschaftlich inhaltlich zu engagieren und nicht nur Veranstaltungen fördert oder initiiert, die letztlich auf sein Kerngeschäft einzahlen. Aus welcher Haltung und mit welcher Vision ist die Akademie entstanden?
Der VRK ist aus verschiedenen Versicherungen entstanden, die Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet wurden, als Vereinigung von Pfarrern und Priestern die einander krankenversichert, lebensversichert und später auch ihre Kraftfahrzeuge versichert haben. Der Ursprung ist also, dass Kirchenpersonen unternehmerisch tätig geworden sind. Die Akademie hat sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt. Anfangs im Engagement in der Verkehrssicherheit und heute in unterschiedlichen Themen in Kirche und Diakonie.
Der VRK ist bewusst tätig im Raum der Kirchen, bewusst ökumenisch, bewusst breit vernetzt. Die Akademie ist eine Möglichkeit für den VRK sich zu engagieren und dabei mehr zu machen, als nur eine Fahne aufzuhängen, sondern auch inhaltlich Investment für eine zukunftsfähige Kirche, Diakonie und Caritas zu zeigen. Vollkommen interesselos ist das natürlich nicht, aber es ist eben nicht das Interesse des VRK, Versicherungen über die Veranstaltungen zu verkaufen, sondern in die Zukunft und neue Form von Kirche zu investieren. In unseren Veranstaltungen kommen unterschiedliche kirchliche Perspektiven zusammen. Wir sind da sehr breit aufgestellt und greifen das auf, was wir als Themen wahrnehmen und was unseren Partnern wichtig sind. Oftmals bilden wir mit unserer Akademie so etwas wie einen „Dritten Ort“. Wir bieten Plattformen für den Austausch von Kirche und Diakonie und auch die ökumenische Verständigung ist uns wichtig. Das finde ich total spannend.
Ich habe gesehen, dass ihr eine wahnsinnige Bandbreite an Themen abdeckt. Das geht bei Digitalisierung und Diversität los, über Inklusion, Klima, bis zu Unternehmensführung.
Genau, wir sind sehr breit aufgestellt, dennoch gibt es 5 Schwerpunkte Der eine Bereich sind die beiden Netzwerke Autobahnkirchen und Notfallseelsorge. Die Themen Führungskultur und Unternehmenswerte kamen nicht zuletzt hinzu, weil wir ja nicht nur mit Kirchen, sondern auch mit den Leitungs- und Verantwortungsträgern in Caritas und der Diakonie zusammenarbeiten und für die sind das große Themen. Natürlich gibt es auch andere Akademien in der kirchlichen Landschaft, aber die arbeiten meist auf Diözesan- oder landeskirchlicher Ebene; sprechen ein breites Publikum an, aber eher regional. Wir arbeiten grundsätzlich überregional und mit verschiedenen Playern zusammen. So kommt verschiedenes Know-how, verschiedene Expertise zusammen. Wir führen unsere Veranstaltungen nicht allein durch, sondern immer mit starken Partnern und bieten bundesweit Veranstaltungen an zu den Themen, die in Gesellschaft und bei den Partnern dran sind. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind bspw. Themen, die Diakonie und Caritas wie die Kirchen gerade beschäftigen.
Mein Eindruck ist, dass aber gerade auch das Regionale für viele Landeskirchen neu besonders wichtig wird. Überregionale Veranstaltungen und Netzwerke scheinen vielerorts nicht mehr zu greifen, sodass man sich doch wieder auf das Regionale, das Bekannte vor Ort konzentriert. Merkt ihr das auch?
Da wir eher von den Themen her kommen und weniger von den Orten, merken wir das nicht so stark. Im letzten November bspw. hatten wir eine Veranstaltung zum Klimaschutz in Kirchengemeinden. Da waren 100 Leute aus verschiedensten Kirchengemeinden und -kreisen. Die Leute haben dort auch die Vernetzungsmöglichkeiten genutzt, waren aber auch dort, weil Klimaschutz ein lokales Thema ihrer Gemeinde oder ihres Kirchenkreises ist. Ein anderes Beispiel: Wir haben in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Fachstelle für Arbeitsschutz, dem Pfarrerverband und der EKKW ein jährlich stattfindendes Forum zum Thema Pfarramt und Gesundheit. Diesmal ging es um die Arbeitszeitgestaltung im Pfarrdienst. Und natürlich gibt es Landeskirchen, da gilt eine Wochenarbeitszeit von 41 Stunden und in anderen sind es 48 Stunden, in wieder anderen ist es ungeregelt. Bei solchen Formaten kommen dann Leute aus den Personalabteilungen der Landeskirchen und aus den Pfarrvereinen etc. zusammen und können sich austauschen, was hilfreich ist, was funktioniert und was nicht. Genau diese Vernetzungsmöglichkeiten sind das, was wir ermöglichen und was die Leute wertschätzen, auch wenn sie alle natürlich hinterher wieder in ihrem Kontext unterwegs sind.
Für wen eignen sich denn die Veranstaltungen? Kann sich da jede:r anmelden, egal, ob Haupt- oder Ehrenamtlich?
Das ist sehr unterschiedlich. Grundsätzlich sind die Veranstaltungen, die sich auf unserer Website zu finden sind, keine geschlossenen Veranstaltungen; bzw. nur ganz selten. Sie sind für alle zugänglich, richten sich aber an verschiedene Zielgruppen. Da gibt es Formate, die richten sich an junge Leute in Studium oder Berufseinstieg, wieder andere sind eher was für Haupt- und Ehrenamtliche in der Jugendarbeit, dann gibt es was für Führungskräfte usw. Bald wird es auch eine Veranstaltung zum Thema Klimakrise und Seelsorge geben, die wir zusammen mit midi machen, da können sich Fachleute aus diesem Bereich, aber auch andere Interessierte anmelden. Im Dezember haben wir dann ein digitales Aktivist:innen-Café, das wiederum für alle ist, die sich in der Klimabewegung engagieren und sich davon angesprochen fühlen.
Euer Slogan lautet: ‚Gemeinsam Antworten finden.‘ So ein Satz ist in einer Zeit, in der es schwer ist, allgemeingültige Antworten zu formulieren und in der viele sagen, sie stellen lieber Fragen, als dass sie Antworten geben, schon mutig. Welche Antworten habt ihr auf die großen Fragen von Kirche und Gesellschaft denn gefunden?
Ich verstehe ihn so, dass wir gemeinsam Fragen nachgehen und gemeinsam nach Antworten suchen. Und ja, wir sind in einer Zeit, in der man nicht unbedingt einfache Antworten findet, aber man will sie ja trotzdem suchen. Und das Wichtige dabei ist, dass wir es gemeinsam tun wollen. Wir wollen uns gemeinsam auf den Weg machen, um etwas Neues zu entwickeln. Es ist nicht unser Anliegen, Antworten bereitzustellen. Wir setzen uns nicht hin und sagen: Wir haben geguckt und festgestellt, was die Kirchen jetzt brauchen und wenn ihr das soundso macht, dann schulen wir euch darin. Das ist nicht unsere Arbeitsweise. Antworten findet man, indem man ganz unterschiedliche Leute zusammenbringt, vielleicht auch die, die gerade sonst in den Kirchen nebeneinanderher arbeiten. Und dabei entsteht dann etwas Neues. Selbst wenn die Antwort lautet: Die Zukunft ist offen oder ungewiss. Aber wie begleitet man das, wie bereitet man sich darauf vor? Das ist eine gemeinsame Aufgabe.
Und trotzdem muss man in der stark föderalistisch geprägten kirchlichen Landschaft die gefundenen Antworten wieder herunterbrechen.
Ja, das sehen wir auch. Und gleichzeitig müssen die Kirchen überlegen, wie man Themen wie Klimaschutz vor Ort und überregional angeht. Da nützt es ja wenig, wenn die Menschen vor Ort sich nur lokal überlegen, was sie jetzt machen. Ich finde, es ist bspw. total spannend zu gucken, was dabei gerade in der Diakonie passiert und wie die Diakonie oder auch die Caritas als Ganzes zum Klimaschutz beitragen können und wie sie noch mal andere Aspekte einbringen. Ein anderes Beispiel sind die Autobahnkirchen. Weder stehen sie im Fokus der Landeskirchen, noch sind sie ein breites Phänomen. Sie sind einfach da. Regional. Punktuell. Es gibt in Deutschland 44 Autobahnkirchen und alle sind sehr unterschiedlich organisiert. Das heißt, hier gibt es keine vorgefertigten Lösungen, wie eine Autobahnkirche funktionieren kann. Und da ist unsere Vernetzungsarbeit sehr förderlich und ermöglicht wichtigen Austausch. Genau das war auch noch mal ein Grund, warum ich auf das fx-Netzwerk zugekommen bin. Ich war neulich auf unserer jährlichen Konferenz der Autobahnkirchen, wo die einzelnen Autobahnkirchen von ihren Sorgen, Nöten, Plänen und Erfolgen berichtet haben. Und da habe ich festgestellt, dass in den letzten 50 Jahren so viel passiert ist. Es sind ja nicht nur normale Gemeindekirchen dabei oder auf Kirchenkreisebene getragene oder so. Manche laufen über einen Trägerverein oder eine Stiftung, zum Teil auch ganz unabhängig von der Institution Kirche. Gleichzeit ist Autobahnkirche eine Form von Kirche, eine bestimmte Ausdrucksform, um für Menschen da zu sein, die unterwegs sind. Und wahrscheinlich wissen gar nicht alle Autobahnkirchen, dass es auch das fx-Netzwerk gibt und wie gut manches da zusammenpasst; man könnte sich noch mal ganz anders vernetzen, weil manche Fragen sehr ähnlich sind. Auch wenn Autobahnkirchen keine ganz typischen fx-Initiativen im Sinne von neu und frisch sind, sind sie durchaus „Church for every Context.“
War das der Grund für euch als Akademie Mitglied im Netzwerk zu werden?
Der Auslöser war letztlich eure Änderungen, dass man jetzt als Einzelperson Mitglied werden kann. Das fand ich spannend, nicht nur aus Interesse an Fresh X, sondern auch aus Interesse an dem, was ich in meiner Arbeit tue. Und so habe ich mit Rolf und Birgit gesprochen, weil wir ja keine Fresh X sind, aber ansprechbar sind in dem Bereich und daraus erwuchs die Idee doch gleich als Akademie Mitglied zu werden. Wir möchten Sachen weiterentwickeln, Leute vernetzten, Veranstaltungen machen, die man sonst nicht machen könnte. Und das war der eigentliche Auslöser.
Was erhofft ihr euch davon im Netzwerk zu sein und was bringt ihr an Expertise und Erfahrung rein?
Ich erhoffe mir eine noch bessere Vernetzung. Einerseits in Bezug zu Projekten, als auch an der Basis. Und dass man besser mitbekommt, was alles so läuft. Gleichzeitig finde ich so auch Ansprechpartner für Veranstaltungen, die wir planen. Und andersherum bin ich für andere sicht- und ansprechbar.
Ins Netzwerk bringen wir als Akademie unsere große Erfahrung hinein, über Veranstaltungen, Menschen besonders auch überregional zu vernetzen. Wir sind sehr offen, mit ganz unterschiedlichen Organisationsformen zu kooperieren und Neues zu entwickeln.
Die Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) engagiert sich für die Themen und Arbeitsfelder von Kirchen, Caritas und Diakonie. Sie arbeiten in und mit verschiedenen Netzwerken sowie kirchlichen Partnern zusammen. Sie organisieren Seminare, Fachtagungen und Symposien und veröffentlichen darüber hinaus Publikationen und (kostenlose) Broschüren.