Kongresse können unterschiedlich große Wirkung haben. An manche erinnert man sich nach ein paar Wochen kaum mehr, andere prägen über Jahrzehnte. Manche sind Meilensteine, bei anderen fragt man sich, warum man überhaupt dabei war.
Die dennoch-Konferenz für Neues in der Kirche, die heute in Hannover zu Ende gegangen ist, fällt wohl in keine der beiden Kategorien. Dabei war es eine gute Konferenz. Es ist gelungen, Menschen zu vernetzen und sie über die Zukunftsthemen ins Gespräch zu bringen.
Gleich am Anfang der ersten Session wurde das Motto ausgerufen: „Kein Rückblick, kein Jammern, drei Tage nur nach vorne sehen!“. Und dem sind alle gerne gefolgt. Nicht nur in den Keynotes, auch in den Gesprächen beim Kaffee, in den Workshops, beim Essen: Nirgends war Abgesang zu hören, nirgends Frust über Strukturen oder Vergangenes. Den Kongress prägten Konstruktivität und Ausblick.
Und ja, die Vergangenheit ist wichtig – auf ihr bauen wir die Zukunft auf. Und gerade die Katholische Kirche tut gut daran, die Verfehlungen der Vergangenheit nicht mit dem nassen Schwamm wegzuwischen, sondern sie noch sauberer als bisher aufzubereiten und aus dem Versagen für die Zukunft zu lernen.
Aber wahr ist auch: Es ist niemandem geholfen, wenn die Vergangenheit die nötigen Veränderungen lähmt und blockiert. Der Kongress wollte aufbrechen, neue Wege erkunden und das sehr konkret im Alltag von Pfarreien und Bistümern. Und das scheint gelungen.
Nun kann man sich vortrefflich darüber streiten, ob frontale Druckbetankungsvorträge intellektueller Koryphäen das Label „innovativ“ verdienen. Und auch der Rest des Kongresses war mit Pinnwänden und Workshop-Slots doch recht klassisch. Wer eine christliche re:publica erwartet hatte, wurde enttäuscht.
dennoch. (sic!) ist es den Organisator:innen von porticus, dem Bonifatius-Werk, dem zap in Bochum und dem Bistum Hildesheim gelungen, smarte Akzente zu setzen: Von Mini-Zusammenfassungen jedes Workshops für alle zum Mitnehmen bis hin zu sehr gut angenommenen Get-Together-Runden, strategisch gesetzten Kaffeepausen und guter Musik. Man konnte die Liebe spüren, die in allem steckte. Und mit einer erfrischenden Surfeinheit von Esther Göbel, einer für bischöfliche Verhältnisse sehr persönlichen Rede des Hildesheimer Bischofs Dr. Heiner Wilmer (der in Wirklichkeit Heinrich heißt, wie er uns verriet) und einem frechen, tief gehenden und vom Publikum schwer gefeierten Preacher-Slam im Rahmen der gemeinsamen Eucharistie aller (katholischen) Teilnehmenden fand der Kongress ein schönes Ende.
Zehn Jahre danach…
Gleichzeitig muss sich die dennoch-Konferenz den Vergleich zum ökumenischen Kirche²-Kongress gefallen lassen – auch wenn es schmerzt. Dass der vor genau zehn Jahren in derselben Stadt mit teilweise denselben Veranstaltenden stattfand, lädt das diesjährige Treffen doch mit einer gewissen Bedeutung auf.
Kirche² war wegweisend, sowohl für die innovativen Kräfte in den Kirchen als auch für die Ökumene in ganz Deutschland. Das daraus hervorgegangene ökumenische Kirche²-Büro in Hannover prägte über viele Jahre zahllose Pionier:innen nachhaltig.
Der Kongress setzte damals nachhaltig Energien frei und wirkt bis heute. Wer dort war, erinnert sich freudig zurück. Und zugleich sehnsüchtig. Denn es ist in den folgenden Jahren nicht gelungen, diese missionalen und ökumenischen Energien in die Systeme zu integrieren oder wenigstens zur willkommenen permanenten heilsamen Unbequemlichkeit zu machen. Die Reibungsverluste waren letztendlich zu groß und das gemeinsame Innovations-Büro von Landeskirche und Bistum scheiterte spektakulär – mit zahlreichen Verletzten.
Vielleicht ist es dieses Trauma, das verhinderte, dass man sich wieder auf eine gemeinsame, ökumenische Kongress-Ausrichtung einigen konnte. Vielleicht sind es andere Gründe. Vermutlich ist es eine Mischung. Aber es ging dieses Mal ganz offensichtlich nicht.
Immer wieder konnte man von dennoch-Teilnehmenden das Bedauern hören, dass der Kongress rein katholisch war – auch wenn die Verantwortlichen einen guten Job machten, evangelische Perspektiven über Workshops und einzelne gezielte Einladungen von Schlüsselpersonen einzubringen.
Der Kongress fühlte sich für mich als Protestant, abgesehen von der Eucharistiefeier (zu der wir ganz stillschweigend nicht eingeladen waren), ganz natürlich an. Keine Spur von Abgrenzung oder Fremdheitsgefühl.
Aber nach meinem Gefühl wurde trotzdem eine große Chance vertan. Welche Wirkung hätte wohl ein bewusst ökumenischer Kongress unter entsprechender Trägerschaft entfalten können, zehn Jahre nach Kirche² am selben Ort, in einer gesellschaftlich und innerkirchlich noch viel angespannteren Situation? Ein Kongress, an dem man mutig (für die Kirche) neue Formen ausprobiert hätte und leidenschaftlich über eine breite Palette von Zukunftsthemen wie unseren Beitrag gegen den Klimawandel, die Kirche als Safe Space, den angemessene Umgang mit Macht(losigkeit) oder den Umgang mit politischen Extremen diskutiert hätte? Ein Kongress, von dem echte Impulse ausgegangen wären?
Vor zehn Jahren waren 1.400 Menschen aus allen Konfessionen beisammen, die leidenschaftlich Kirche verändern wollten und eine unheimliche Dynamik entfaltet haben. Meine Wette: Dieses Jahr hätte ein ökumenischer Kongress locker das Doppelte angezogen. Denn die Menschen aller Konfessionen sind hungrig nach Erneuerung, nach innovativen Ideen, danach, dass sich die Kirche (sic!) ändert.
Der Kongress wird hoffentlich seine Wirkung im katholischen deutschsprachigen Raum entfalten. Und wer da war, wird gern an die vielen schönen und inspirierenden Begegnungen und Momente zurückdenken.
Aber die da waren, scheinen mir auch schon lange nicht mehr in Konfessionsgrenzen zu denken. Vielleicht dient der Kongress ja auch für uns alle als Mahnung daran, dass die Zukunft nicht in der Separation liegt. Die Energie liegt im Gemeinsamen.