Bei Fresh X geht es uns meist um frische Formen für Kirche, also für eine innovative Ausgestaltung von Inhalten und Formaten. Aber wer hat eigentlich gesagt, dass nicht auch eine frische Form von Kirche ein innovativer Schritt sein kann? Weshalb also nicht mal die herkömmlichen gotischen Kirchtürme, die Renaissance-Fenster oder die funktionalen Nachkriegs-Betonbauten gegen frische und ungewöhnliche Räume tauschen? Ein Blick über den Tellerrand.
Die Weidenkirche
Eine Kirche, die lebt und wächst – über 1000 Weidensetzlinge wurden im bayerischen Pappenheim so angepflanzt, dass es aussieht wie eine klassische Kirche, die rund 150 Personen Platz – und ein Weidendach über dem Kopf – bietet. Geplant und angelegt wurde die Weidenkirche 2007 von über hundert Jugendlichen der evangelischen Jugend in Bayern. Seitdem wächst sie beständig weiter und wird regelmäßig von den Jugendlichen gepflegt. Sie soll ein spiritueller Ort für alle Menschen sein, die sich nach Ruhe und einem Moment des Innehaltens sehnen, die Suchende sind. Die Weidenkirche dient dabei auch als Zeichen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Autobahnkirchen
Jeder mit einem Führerschein kennt sie. Kleinere Kirchen, meist an Rastplätzen gelegen, die Reisende, Pendler oder Berufskraftfahrer einladen, eine Pause einzulegen, sich neu zu orientieren und gestärkt weiterzufahren. Fast fünfzig solcher Kirchen gibt es an vielen deutschen Autobahnen. Und sie könnten unterschiedlicher nicht sein: schlicht, ja fast kahl oder gemütlich mit Pflanzen und Kerzen. Aus Holz, Beton, Stahl, Glas. Evangelisch, katholisch, ökumenisch. Eine Übersicht über alle deutschen Autobahnkirchen gibt’s obendrein, sodass man die nächste lange Autofahrt nicht ohne Gebet und Segen machen muss.
Die schwimmende Kirche
Einst war Leipzig umsäumt von tiefen Gruben, in denen Braunkohle abgebaut wurde. Dem Braunkohleabbau mussten etliche Dörfer weichen – und daran erinnert heute Deutschlands einzige schwimmende See-Kirche, die VINETA. Denn nachdem man sich von dem Braunkohleabbau verabschiedet hatte, wurden die leeren Gruben geflutet und nun ist Leipzig von einer Neuseenlandschaft umgeben. Und auf dem Störmthaler See schwimmt nun eben ein sakrales Kunstwerk, das der verloren gegangen Magdeborner Kirche gedenken soll und auf dem Kulturveranstaltungen, Hochzeiten oder private Feiern abgehalten werden können.
Im Hamburger Hafen liegt übrigens noch eine schwimmende Kirche, eine Flussschiffkirche. Die evangelisch-lutherische Flussschifferkirche zu Hamburg veranstaltet regelmäßig klassische Gottesdienste, Trauungen und Taufen, aber auch kulturelle Veranstaltungen. Betrieben wird die schwimmende Kirche von einem Förderverein. Die Idee zur dieser Insel der Ruhe im bunten Hafentreiben gabs zum ersten Mal schon vor rund 150 Jahren, als der Theologe Johann Hinrich Wichern zusammen mit einigen Missionaren sich um die Binnenschiffer im Hamburger Hafen kümmerte. 1952 wurde in Erinnerung daran ein ehemaliges Transportschiff zur schwimmenden Kirche umgebaut.
Der Expo-Wal
Die große Weltausstellung EXPO gastierte 2000 in Hannover – dafür wurde unter anderem der EXPO-Wal, der Pavillon der Hoffnung, als Pavillon der Jugend vom CVJM, der Deutschen Evangelischen Allianz und World Vision gebaut und verantwortet. Er wurde zum Wahrzeichen der ersten EXPO in Deutschland. Seit dem Ende der Weltausstellung ist der Wal ein Projekt des Landesvereins für Innere Mission in der Evangelischen Kirche Hannover. Jeden Mittwochabend und alle zwei Wochen sonntags finden dort Walabende bzw. Walsonntage statt: Gottesdienste mit gemeinsamen Essen (je nach Uhrzeit, Frühstück, Mittagessen oder Abendessen), Kinderprogramm sowie andere kulturelle Veranstaltungen.
Die Tiny Church
Bislang ist es nur eine Idee. Doch die FeG in Offenburg träumt von Folgendem: “Stell dir vor, du kommst an einem Samstagvormittag auf den Marktplatz und da steht ein Holzhaus auf Rädern. Menschen gehen neugierig hinein und kommen verändert heraus. Was ist passiert? Sie sind Gott begegnet. Das Holzhaus ist nicht nur ein Haus, es ist eine winzige bewegliche Kirche.” Eine Tiny Church bietet dabei zwar nur wenigen Leuten Platz, schafft aber dennoch Raum für Begegnungen mit Gott und Menschen. Ein offener Raum der Stille, der Andacht, der Ruhe.
Rollende Kirchen
Noch bevor die Tiny Church-Bewegung sich durchsetzte, bauten 1996 etliche Fleißige im oberschwäbischen Mittelbiberach eine kleine rollende Kirche aus Holz. Inklusive Kirchturm. Seitdem rollt die Kirche zu Schützenfesten, Jahrmärkten, Festivals und anderen Kultur- und Großveranstaltungen, um den Menschen zu helfen, Gott zu begegnen.
Im Kreis Euskirchen fährt seit Mai 2021 ein umgebauter Verkaufswagen, wie man ihn von Marktplätzen kennt, umher. So kann die katholische Kirche Steinfeld Gottesdienste draußen stattfinden lassen und Menschen dort ansprechen, wo sie sind – auf dem Markt, im Wald, auf Festen und Feiern. Inzwischen finden in dem Anhänger nicht nur Gottesdienste statt, sondern auch kulturelle Veranstaltungen, wie zum Beispiel Konzerte.
In Aachen haben sich die katholischen Kirchen Himmelsleiter und Aachen-Ost zusammengetan und unter dem Motto: “Ver-rückt – Kirche an die frische Luft” eine Kirchenbank mit Rollen zu versehen und zu den Menschen zu bringen. Und so kann es sein, dass die Kirchenbank am Samstagmorgen auf dem Marktplatz steht, an einem sonnigen Nachmittag im Park, vorm Schwimmbad oder bei einem Festival. Auch in Augsburg oder Mannheim rollen Kirchenbänke durch die Fußgängerzonen, in Dortmund begegnet den Innenstadtbummlern zuweilen eine Fahrradrikscha-Kirche.