Als die Coronapandemie begann, verfällt auch Jakob J. Kehrer – wie die ganze Nation, wie so viele Länder weltweit – für einige Zeit in Schockstarre. Doch dann besinnt er sich darauf, wo er herkommt, was ihn interessiert und umtreibt: Neue Formen von Kirche. Aufbrüche. Pionierdasein. Er merkt, sein Thema ist die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft von Menschen. Nicht nur im familiären oder kirchlichen Kontext, sondern auch in Bezug auf die Arbeit. Wenn er über die Zukunft von Kirche, die Zukunft von Arbeit und die Zukunft von menschlicher Begegnung nachdenkt, steigt in ihm der Wunsch, alles zu vereinen.
Von der Idee zum Buch
Jakob J. Kehrer ist kein promovierter Theologe. Sitzt in keinem bedeutenden Kirchengremium. Er arbeitet an der Basis. Als Jugend- und jetzt als Bildungsreferent. Als Fresh X-Berater. Als Pionier. Und als solcher weiß er: Wenn man etwas bewegen will, aber nicht in einer hohen Leitungsposition sitzt, dann mit einem Buch. Und so setzt er sich, in diesem sonnigen, verrückten Frühling 2020 hin und denkt über eine Buchidee nach. Es soll um Arbeit und Gemeinschaft gehen. Um Coworking. Und Coworking und Church. Er ist sich sicher, „die Form der Zukunft von Kirche ist vielfältig. Aber das Thema Community wird uns in der Kirche beschäftigen“. Er steigt tiefer in das Thema ein und merkt, es kann nicht darum gehen, dass Kirchen ihre Gemeindehäuser für Coworking öffnen. „Gemeindehäuser haben immer noch eine hohe Schwelle“, es geht um das Gemeinsame. Und darin sollten Kirchen ja eigentlich Profis sein, auch wenn sich in den meisten Gottesdiensten Menschen aus maximal zwei bis drei verschiedenen Milieus versammeln.
Er sucht sich jemanden aus der Coworking-Szene und findet in Dorothea Gebauer die passende Mitstreiterin. Sie bieten ihre Idee verschiedenen Verlagen an. Doch zunächst scheint sich niemand dafür zu interessieren. Bis Kehrer nachfragt und man sich bei Vandenhoeck & Ruprecht entschuldigt, das Exposé sei untergegangen. Man fände die Idee aber so super, dass man das Buch so schnell wie möglich auf den Markt bringen will. Am besten noch diesen Herbst. Das war Anfang 2021.
Die beiden besuchen verschiedene Coworking-Spaces, gewinnen Autor:innen und geben Gas. Innerhalb weniger Monate entsteht das 221-seitige Werk “Coworking: aufbrechen, anpacken, anders leben” mit Beiträgen von Tobias Faix, Maria Herrmann, Anna-Nicole Heinrich, Thomas Schalla, Daniel Paulus und vielen anderen. Auch Jonte Schlagner, Gründer von Frohet Schaffen! in Iserlohn, den wir im Online-Magazin auf www.freshexpressions.de begleiten, hat mitgedacht und mitgeschrieben.
Sie alle vereint, die Hoffnung, die Sehnsucht, der Wunsch nach neuen Formen von Gemeinschaft, anderen Formen von Arbeit, neuen Wegen, beides zu verbinden. Und den Glauben im Alltag, im Job zu leben.
Kirche als Coworking-Player
Und dabei können Kirchen im Coworking-Spiel einen wichtigen Part übernehmen. Nicht unbedingt als Raumgeber, auch nicht zwangsläufig als alleiniger Community-Manager, aber als Mitgesellschafter und Mitgestalter. Jakob J. Kehrer ist davon überzeugt, dass die Zukunft der Coworking Spaces – besonders auf dem Land – nicht darin besteht, dass es gemeinschaftlich genutzte Arbeitsflächen gibt, sondern dass Gemeinschaft gelebt wird. Es reicht nicht aus, einen Schreibtisch und ne Kaffeemaschine aufzustellen. Es braucht mehr. Sowas wie Kinderbetreuung, Communityabende, Steckdosen für Elektroräder oder -autos. Angeschlossenes Café oder Bristro, Austauschmöglichkeiten, Integrationsangebote für Leute, die neu im Kiez, Kreis oder Kaff sind. Und es braucht Menschen aus der Gemeinde mit Integrationskompetenz, Sprachfähigkeit sowie einem geistlichen Herz für die Menschen übernehmen, zusammen mit Leuten aus den örtlichen Vereinen, Handwerksfirmen oder ortsansässigen Betrieben die Aufgaben des Community-Managements, veranstalten Spieleabende, Vorträge und Workshops, in denen sie ihr Know-how weitergeben. Da haben dann auch neue, offene Formen geistlicher Spiritualität ihren Raum.
Kirche kann sich so ganz neu für Menschen öffnen und eine wichtige Bedeutung im Alltag der Leute spielen. Kontextualisiert. Mitunter missional. Gemein(de)schaftsbildend. Lebensverändernd.