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Glaube und erneuerbare Energie

12. April

Es ist ein aufwändiges Vorgehen. Um eine Windkraftanlage zu bauen, muss als erstes ein geeigneter Standort gefunden werden. Genug Abstand zu Häusersiedlungen, Stromleitungen oder Waldbeständen muss gewahrt werden. Geografische Gegebenheiten werden untersucht. Ornithologische Gutachten müssen eingeholt werden. Vögel Fledermäuse, Pflanzen, Insekten und anderes Getier wird gezählt und in seinem Verhalten beobachtet.

Rund fünf Jahre dauert es, bis das erste Windrad aufgestellt werden kann – nicht selten trotz großer Proteste von Bürger:innen und Anwohner:innen. 

Das Errichten von Windrädern dauert dagegen inzwischen nur noch wenige Tage bis Wochen; die Amortisierung beträgt unter ein Jahr – das heißt, dann hat ein Windrad so viel Energie erzeugt, wie die Herstellung gekostet hat.

Und es lohnt sich. Das Umweltbundesamt gibt an: Der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor stieg deutlich von 46,2 Prozent (2022) auf 51,8 Prozent (2023). Insgesamt wurden im Jahr 2023 272,4 Mrd. kWh Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt. Dies waren fast 18 Mrd. kWh mehr als im Vorjahr (+7 Prozent). Erstmals wurde damit über die Hälfte des in Deutschland benötigten Stroms aus erneuerbaren Energien bereitgestellt. […] Die Windenergie leistete mit einem Ertrag von 142,1 Mrd. kWh den größten Beitrag zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (2022: 124,8 Mrd. kWh). Damit erzeugten Windenergieanlange erstmals mehr Strom als alle Braun- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland zusammen.“

Windkraftpionier aus dem Westerwald

Dieses Potenzial erkannte Joachim Fuhrländer sehr früh. Aufgewachsen in einem winzigen Ort im Westerwald, als Sohn eines Schmieds und Enkel von Bauern, stieg er nach der Schule (die ihm schwerfiel) und dem Zivildienst in den väterlichen Betrieb ein und übernahm ihn später. Mitte der 80er Jahre experimentierte er bereits damit, wie man sich den Wind energetisch zunutze machen könnte und stellte bereits 1991 die erste Windkraftanlage bei Köln auf. Es folgte eine zwanzig Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Der Name Fuhrländer wurde in Sachen erneuerbarer Energie zu einer weltweit bekannten Marke. Der Windkraftpionier Joachim Fuhrländer reiste um die Welt, gewann Freunde, Förderer und Partner in Japan, China, Brasilien oder Afrika. In über 50 Ländern bauten er und seine Mitarbeitenden Windkraftanlagen. Namenhafte Politiker besuchten ihn oder luden ihn ein, dass er sie auf ihren Reisen begleiten möge. Er hielt massenhaft Vorträge, engagierte sich im CVJM und seiner Kirchengemeinde, führte ein riesiges Unternehmen mit rund 800 Mitarbeitenden und ließ, wie nebenbei ein Windrad nach dem anderen aufbauen.

Keinen Halt, aber Haltung

Doch 2012, im Zuge der Bankenkrise, kam sein Absturz. Banken hielten ihn und seine vielen ausländischen Geschäftspartner nicht mehr für glaubwürdig und kündigten die Kredite. Fuhrländer musste Insolvenz anwenden und stieg aus der Firma aus, in der Hoffnung, dass seine Nachfolger diese retten könnten. Konnten sie nicht. „Das Vertrauen fehlte“, erklärt Fuhrländer heute. Er ist überzeugt, er hätte die Firma vielleicht durch den Konkurs führen können. Seine Geschäftspartner und letztlich auch die Banken, die Politiker – alle hatten doch erlebt, wie seine ungewöhnliche Mitarbeiterführung – auch Menschen ohne Schulabschluss, ehemalige Straffällige, Leute ohne einen geraden Lebenslauf, gekennzeichnet von einem harten Leben und ohne ein ermutigendes und liebevolles Umfeld bekamen bei ihm eine Chance – und seine vielfältigen und kreativen Ideen zum Erfolg führten. So wenig, wie sein Aussehen dem eines klassischen Managers oder Unternehmers gleicht, so wenig klassisch waren auch seine Methoden. Die Nachfolger waren jedoch das komplette Gegenteil.

Und auch privat lief es nicht so gut für ihn. Weil er so viel unterwegs und zu wenig zu Hause war, trennte sich seine erste Frau von ihm. Die Kinder waren groß und ausgezogen.

Doch Joachim Fuhrländer verzagte nicht lange. Ja, er hatte seinen Halt verloren, wie er es beschreibt, aber nicht seine Haltung. Der christliche Glaube gab ihm die Kraft, sich wieder zu berappeln. Heute berät er als freier Unternehmensberater Manager und Geschäftsführer in Sachen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Mitarbeiterführung. Außerdem gründete er ein neues Unternehmen: AFREECA unterstützt in den afrikanischen Ländern die Bereitstellung von Solar- und Windenergie für Krankenhäuser, Schulen, die Landwirtschaft und die Wasserversorgung. Er ist immer noch viel unterwegs und immer noch oft umgeben, von Menschen, die Rang und Namen haben.

Eine alte Geschichte, neu erzählt

Über die Geschichte seines 54-jährigen Lebens, seine Erfolge als Windkraftpionier, seine Haltung zu erneuerbaren Energien, der Jugend, Politik und dem christlichen Glauben hat Joachim Fuhrländer nun ein Buch geschrieben.

Ausführlich und schonungslos berichtet er von seinem kometenhaften Aufstieg – aber auch seinem Abstieg. Er resümiert, was er falsch gemacht hat und was er heute genauso wieder tun würde. Er skizziert, welche Bedeutung Gott und der Glaube für ihn sein Leben lang hatten und wie sich das auch in Zeiten seiner persönlichen Krisen gezeigt hat. „Erneuerbar. Wenn Energie Zukunft gestaltet. Mein Leben als Windkraftpionier“ ist im Bonifatius Verlag erschienen.

„Die Möglichkeit zu Erneuerung liegt in unseren Händen“, schreibt Fuhrländer dort. „Jetzt ist die Zeit gekommen, die Energie, die in etwas Neuem steckt, für die Zukunft nutzbar zu machen.“

Die erneuerbare Energie des Glaubens

Dabei lässt das Buch den Leser:innen offen, ob es dabei lediglich um erneuerbare Energiequellen zur Stromerzeugung geht, um allgemein Innovatives – oder auch um den Glauben und Kirchenentwicklung. Sätze wie die folgenden lassen sich nämlich auch ganz leicht und wunderbar auf die aktuellen Herausforderungen von Kirche (und Gesellschaft) adaptieren: „Unser Heute kann der Beginn von vielen Erneuerungen und vielseitigen Möglichkeiten werden, wenn wir die Weichen passend stellen. Dazu gehört die professionelle Vorbereitung der Voraussetzungen und Infrastrukturen. Und natürlich müssen die Menschen auf diese Veränderungen vorbereitet werden. Sie müssen sie unbedingt mittragen.“

Und so entspinnt sich für die Leser:innen der Biografie Fuhrländers ein spannendes Gedankenexperiment:

  • Was hat der Glaube mit Windkraftanlagen zu tun?
  • Ist unsere persönliche Glaubensenergie erneuerbar?
  • Woraus beziehen wir unsere Glaubenserfahrungen und wohin speisen wir sie ein?
  • Ist Kirche erneuerbar?
  • Kostet sie Energie oder erzeugt sie Energie?

Joachim Fuhrländer: “ERNEUERBAR – Wenn Energie Zukunft gestaltet. Mein Leben als Windkraftpionier”, Bonifatius Verlag, 240 Seiten, 22€. Erhältlich in jeder gut sortierten Buchhandlung oder online direkt beim Verlag.

Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.