So wie er dasteht, sieht man ihm an, dass es ihm nicht leichtfällt. Es lastet auch viel auf ihm. Die Zeiten, in denen er die Ärmel hochkrempelte, sich motiviert, agil und dynamisch zeigte, sie sind lange vorbei. Zu viele Nächte hat er wach gelegen und gegrübelt, wie das alles zu schaffen ist. Zu viele Stunden hat er rumgesessen in Ausschüssen, Gremien und Vorständen. Zu viele Papiere hat er gewälzt, gelesen, geschreddert. Zu viele Zahlen hat er hin und her bewegt. Viel mehr inzwischen als Worte. Ernüchtert ist er. Zuweilen überfordert. Frustriert allemal. Die Hoffnung, die er einst spürte, sie schwindet. Ab und an blitzt sie noch durch, wie die Sonne durch ein dichtes Blätterdach. Doch viel zu oft fühlt er sich, als würde er in einer Hochhäuser-Schlucht stehen. Weit weg von Bäumen, Sonne und Luft. Niedergedrückt vom Grau und Beton der Verantwortung und Struktur.
Hier, an diesem Sonntagmittag ist seine Aufgabe nun, den Gottesdienstbesucher:innen, die auch immer weniger werden, zu sagen, wie die Kirche sich in den nächsten Jahren umgestalten soll. Wie er sie umgestalten soll. Weniger als Pfarrer, mehr als Verwalter. Weniger als Seelsorger, mehr als Manager. Die Kirche von morgen, sie braucht weniger Führung, mehr Eigeninitiative. Weniger Geld, mehr Gestaltung. Weniger Hauptamtliche, mehr Ehrenamtliche. Weniger Innovation, mehr Exnovation. Weniger örtliche Räume, mehr spirituelle Orte. Mehr Output, weniger Input. So sehen es zumindest die Kirchenleitenden. Kleiner werden, mehr leisten. Weniger kosten, mehr erwirtschaften. Könnte man auch sagen. Weniger Leute, mehr Leistung.
Mit dem Rücken zur Wand – mit ausgestreckter Hand
Keine Frage, der Performance-Druck, unter dem Kirche steht, ist enorm. Pfarrpersonen, aber auch Ehrenamtliche sehen sich beständigem Rechtfertigungszwang ob der sinkenden Relevanz ausgesetzt. Dinge sollen innoviert werden. Dinge müssen exnoviert werden. Menschen sollen sich engagieren. Noch mehr. Noch intensiver. Bei noch weniger Gestaltungsspielraum. Die Zeiten, in denen Kirche noch formulierte, dass die Lage zwar ernst sei, aber man viele Möglichkeiten der Veränderung, der Gestaltung sehe, scheinen auch vorbei zu sein. Man steht mit dem Rücken zur Wand vielerorts.
Doch die Hoffnung ist da, dass da dennoch Gestaltungsspielraum ist. Dass man doch noch was tun kann. Dass da noch was geht. Dass Kirche noch relevant ist oder zumindest wieder werden kann. Dass Kirche – gerade in diesen wilden Zeiten – ein Ort der Hoffnung, der Gemeinschaft, der Liebe, des Glaubens sein kann. Dass Kirche ein Ort ist, an dem die Liebe den Hass überwindet. Ein Ort, an dem man miteinander redet und lebt, statt übereinander urteilt und lacht.
Druck auf dem Kessel
Wie genau sich Kirche aufstellen kann, welche Handlungsoptionen es gibt, welche Modelle vielleicht sogar schon gut laufen, wie man voneinander lernen kann – genau darum geht es bei dem Netzwerktag des Fresh X-Netzwerks am 20. März 2025 in der Stuttgarter Kesselkirche. Ja, es ist Druck auf dem Kessel Kirche. Aber Druck ist nicht nur schlecht – schließlich braucht eine Dampflock eben diesen, um zu fahren. Ein kochender Wasserkessel wird gebraucht, um etwas Leckeres zu kochen. Und sei es nur ein Tee, den man trinkt, während man abwartet, was weiter passieren wird.
Wer noch nicht auf dem Netzwerktag dabei ist, hat jetzt noch die Chance, sich schnell dafür anzumelden. Wir wollen bewusst nicht dabei stehen bleiben, all das Schwere zu bejammern, sondern voneinander lernen, wo was schon gut läuft. Wollen hören, wo Lösungsansätze gefunden wurden. Wollen uns gegenseitig in unseren Handlungsfähigkeiten bestärken. Und mutig und gestärkt an die Arbeit gehen. Mit hochgekrempelten Ärmeln und Hoffnung im Herzen. Mitglieder zahlen einen Vorzugspreis. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich auf der Homepage des Netzwerks.