inspiriert

Neue Serie: Frische Kirche für morgen gestalten

21. Mai

Die fx-Bewegung lebt von Gründer:innen, von Pionier:innen, von mutigen Männern und Frauen, die sich von Gott berufen lassen und Neues wagen. Wie genau innovative Kirche aussehen kann, wollen wir in dieser Serie begleiten.

Dabei sein, wenn Gott was Schönes macht

Jonte Schlagner gründet gerade in einem kleinstädtischen Umfeld einen sozialen Co-Working-Space. Mitten im Block, in einem Hochhaus. Noch ist das Ganze eine Vision, aufgeschrieben auf diversen Business- und Finanzierungsplänen, ein Instagram-Kanal (@frohet_schaffen), ein Gemeinschaftsprojekt. Was es werden wird, werden wir hier zeigen. Monat für Monat findest du deshalb ein Projekt-Update. Wir werden nicht nur von Highlights berichten, sondern auch von Niederschlägen und Zweifeln. Immer gepaart mit einem Blick auf die Metaebene, wie die Gründung einer Fresh X auch bei dir vor Ort, in deinem Kontext gelingen kann.

Kirche so, wie du schon immer fandst, dass sie sein sollte. Gemeinschaft, wie du sie dir schon immer erträumt hast. Glauben so leben, wie du es schon immer gefühlt hast.

Jonte: Mein Antrieb war aber auch immer, mein Grundwert Gerechtigkeit. Es ist nicht gerecht, dass Kirche so verschlossen ist, dass meinen Freunden (der Zielgruppe) der Blick auf Gott verstellt wird. Oder eben auch die soziale Ungerechtigkeit, die ich in meiner Stadt, meinem Block, erlebe.

Das könnten Voraussetzungen für die Gründung einer Fresh X-Initiative sein. Sind es aber in den wenigsten Fällen. Auch wenn natürlich jede Fresh X ihre ganz eigene Entstehungsgeschichte hat, ein paar Phasen tauchen bei allen auf – wenn sie auch eher zyklisch zu verstehen sind.

Doppeltes Hören

Die meisten Fresh X starten nicht mit einem fertig ausgearbeiteten Konzept, sondern mit dem Hören. Sie hören genau hin, was die Menschen in ihrem Quartier, Viertel, Kiez oder Block bewegt; wonach sie sich sehnen, was ihnen fehlt, was sie beschäftigt oder was sie umtreibt. Sie gucken, welche Infrastruktur vorherrscht, was zu einem guten Leben in dieser Umgebung dazugehören würde und womit sie den Menschen vor Ort dienen könnten. Und sie beten, hören auf Gott. Was hat Gott mit diesem Quartier, Viertel, Kiez oder Block vor? Wie können die Leute dieser Umgebung mit Gott in Kontakt kommen? Womit hat Gott vor Ort schon angefangen?

Im besten Fall schauen und hören sie auch in sich hinein: Wo liegen als Team, als Gemeinde, als Pionier:innen unsere Stärken und Schwächen? Wo sind unsere Grenzen? Aus welchem Background kommen wir und was bringen wir hier an diesen Ort mit?

Jonte: Und ganz wichtig finde ich auch: Was ist unsere Leidenschaft? Was triggert mich und uns so, dass wir gar nicht anders können, als aktiv zu werden?

Vom Hören ins Tun

Noch bevor irgendetwas gebaut, geplant oder eröffnet wird, fangen etliche neue Fresh X an, den Menschen vor Ort zu dienen. Sie finden heraus, womit sie den Leuten Gutes tun können und tun es. Sie stillen Sehnsüchte, erfüllen Wünsche, helfen beim Suchen. Sie hören zu, schauen hin und packen an. Das kann natürlich ganz unterschiedlich aussehen. Und natürlich wird man mit seinem Dienst am Menschen und der später entstehenden Gemeinschaft auch nicht alle Leute vor Ort gleichermaßen ansprechen und begeistern. Aber kommt es darauf wirklich an? Vermutlich nicht. 

Jonte: Mir ist in diesem Punkt auch immer die Augenhöhe wichtig. Also wir merken, dass wir auch von unseren Nachbar:innen profitieren und beschenkt werden. Das ist das eigentlich Wichtige: Da Sein, sich auf Augenhöhe begegnen und Leben teilen. Der Rest ist göttlicher Segen und Zugabe. Oder noch mal anders: Wer in unserer Community viel mehr als das erwartet oder will, könnte relativ schnell enttäuscht werden. 90% ist genau das: Absichtslos Beziehungen leben und lieben.

Gemeinsam in Gemeinschaft

Wer anderen Gutes tut und so nah an ihnen dran ist, der lebt unweigerlich früher oder später in Gemeinschaft. Gerade dieser Schritt ist eng mit dem vorherigen verbunden. Gerade weil Gemeinschaft auch ganz unterschiedlich aussehen und gelebt werden kann und niemand definiert, wo Gemeinschaft anfängt und wo sie aufhört.

Durchs Zuhören, Dienen und Empfangen sind Beziehungen gewachsen, Menschen sind gern gemeinsam unterwegs, miteinander im Gespräch und zusammen auf dem Weg. Es wächst Vertrauen, Zugehörigkeit und eine gemeinsame Vision.

Glauben entdecken und leben

Durch den gemeinsamen Weg, den geteilten Alltag entstehen – ganz natürlich – Anknüpfungspunkte, um über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Zusammen sucht man Gott in all dem Profanen des Alltags, erlebt Heilige Momente und entwickelt eine gemeinsame Spiritualität. Aber es braucht auch weiterhin genaues Hinhören, geduldiges Begleiten und vorsichtige Angebote. Wonach suchen die Menschen? Welche Sprache sprechen und verstehen sie? Wie hat Gott in ihrem Leben vielleicht bisher gewirkt? Sind sie schon in Berührung mit Kirche oder Spiritualität gekommen?

Jonte: Yes! Bei Polylux sagen wir immer: Wir wollen keine Fragen beantworten, die niemand gestellt hat. Und, frei nach einem Zitat von Vincent Donovan: Wir wollen den Mut haben die Leute nicht in unserer Spiritualität zu rufen, sondern uns mit ihnen aufmachen an einen Ort, den weder sie noch wir bisher kennen. (Das Originalzitat lautet: In working with young people do not try to call them back to where they were, and do not try to call them to where you are, as beautiful as that place may seem to you. You must have the courage to go with them to a place that neither you nor they have ever been before.)

Kirche sein

Eventuell kann so auf diesem Weg eine neue Kirche, eine kirchliche Gemeinschaft entstehen. Ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um Glauben zu leben. Wer jedoch an Kirche denkt, wie sie bisher besteht, sollte sich mehr gedankliche Flexibilität einräumen. Fresh X ist nicht einfach nur ein neues Gebäude mit einem hippen Sonntagsmorgensgottesdienst und einer Montessori-Gemeindepädagogik. Es ist ein Angebot für Menschen, die mit eben diesen „normalen“ kirchlichem Leben, mit den gängigen Glaubensangeboten nichts oder nur wenig anfangen können. Die sich in den bestehendem Gemeindeangeboten nicht beheimaten konnten oder wollten. Das heißt, diese Menschen bestimmen und gestalten Kirche. Sie brauchen kein weiteres Angebot, das für sie gestrickt und geplant wurde und dass ihnen offeriert wird. Ihre Sehnsüchte wahrnehmen bedeutet, sich mit ihnen gemeinsam auf die Suche nach neuen Formen zu machen, das Unmögliche möglich zu machen, Wunder geschehen zu lassen.

Projektmanagement

Klar, so denken Kirchenfuzzies und Visionäre – könnte man jetzt meinen. Projekte entstehen nicht nur aus dem Hören und Begleiten. Dafür braucht es ein ordentliches Projektmanagement. Okay. Kein Problem. Die genannten Schritte lassen sich auch in einen Projektplan wiederfinden:

Jonte: Wobei ich den Projektplan immer ein wenig partizipatorischer (pädagogischer) angehen und ihn mit der Zielgruppe zusammen entwickeln würde: Wie und wo kann ich jetzt schon mit meiner Zielgruppe einbeziehen? Mit ihr brainstormen, arbeiten, denken, träumen? Bitte keine neuen Elfenbeinturm-Projekte!

  1. Idee entwickeln: Was genau soll geplant werden. Wie soll es umgesetzt werden? Welche Leute braucht man dafür?
  2. Marktanalyse: Gibt es genügend „Konsumenten“? Welche Konkurrenz herrscht? Welche Stakeholder hat das Projekt? Welche Hürden könnte es geben? Wie finanzierbar und realisierbar ist das Projekt mit den vorgegebenen Möglichkeiten?
  3. Business-Pläne schreiben. Finanzierungsmodelle durchrechnen. Anträge stellen. Formulare ausfüllen.
  4. Netzwerken: Sich einen Namen machen, mit Verantwortlichen sprechen, Leute begeistern, Weichen stellen, neue Pfade gehen. Eventuell Fördertöpfe anzapfen.
  5. Umsetzung: Kick off! Räumlichkeiten finden, mieten und herrichten. Eröffnung vorbereiten und durchführen. Leute einladen. Starten.
  6. Evaluieren. Nachbessern. Weitermachen.

Loslegen

Wenn du also eine konkrete Idee im Kopf hast, lass sie reifen, hinterfrage sie und prüfe sie. Immer und immer wieder. Netzwerke, was das Zeug hält, begeistere andere mit deiner (und Gottes) Vision und dann starte eine fx!

Jonte: Auch ne geile Sache: Seine eigenen Ideen mal im fx-Netzwerk durchklingeln und durchchecken zu lassen. 

So geht’s weiter:

Im nächsten Monat berichtet Jonte an diese Stelle, wie er auf die Idee gekommen ist, mitten in einer kleinstädtischen Umgebung einen sozialen Co-Working-Space aufzuziehen. Wie er diese Idee mit sich herumgetragen und mit anderen durchgesprochen hat.

Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.