In ihrem Artikel über die Nachfolge Jesu hat Anna Böck betont, dass die Nachfolge Jesu – ihrer Ansicht nach – unbedingt politisch sein muss – ja ist.
Zwar bezog sich ihr Text eher auf die klimapolitischen Fragestellungen, lässt sich doch aber auch auf andere politische Fragestellungen übertragen. Gerade dieser Tage.
Selten hat sich Kirche in den letzten Jahren so deutlich und so einheitlich politisch positioniert wie in der vergangenen Woche nach Bekanntwerden des Geheimtreffens von Rechtsradikalen und politischen Verantwortungsträgern der AfD und der CDU-nahen Werteunion.
Doch im Zuge der auftretenden Protestwelle formulieren Engagierte, Pfarrer:innen, Kirchenleitende und Funktionsträger:innen plötzlich sehr klar und pointiert, wie das nochmal mit der Menschenwürde war. Die sozialen Medien wurden und werden zu Sammlungsbecken christlich-begründeten politischen Protests. Hier entsteht vielmals Sendung: Raus auf die Straße. In die Empörung über demokratie- und verfassungsfeindliche Pläne. In den Widerstand.
Darf man das?
Manch einen mag das überrascht, vielleicht auch überrumpelt haben. Darf Kirche sich denn politisch äußern? Ist es nicht verpönt von der Kanzel politische Meinungen kundzutun? Ist es nicht genau das, was Kirchen vorgeworfen wird, dass sie vermeintlich zu viel über Politik reden und zu wenig über den Glauben, über Jesus? Bei Diskussionen um die Seenotrettung war man sich ja lange uneins. Darf man das? Sollte man sich als Kirche wirklich in die Gesetzgebung, Rechtssprechung und Aktionen verschiedener europäischer Länder einmischen? Heißt es nicht: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und gebt Gott, was Gott ist?“ (Matthäus 22,21)
Über die Herausforderung des politischen Predigens hat Anna Böck auch auf einem anderen Blog ebenfalls einen ganz wunderbaren Artikel geschrieben: GottMachtPolitik – Predigen
Einmütig und Einmündig
Ich erlebe, dass es dieser Tage wunderbar gelingt, beides zu kombinieren. Den Protest als Bürgerpflicht in der Demokratie. Die Positionierung gegen menschenverachtende Pläne, Ideen und Haltungen. Und die Betonung des christlichen Menschenbilds, der theologischen Haltung, aus der heraus sich die politische Positionierung begründen lässt. Viele berufen sich – was zu Beginn des Jahres auch naheliegt – auf die Jahreslosung aus 1. Korinther 16,14, in der es heißt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Liebe ist das Mittel der Wahl und das Gebot der Stunde. Wir wollen uns nicht vom Hass regieren lassen, sondern Liebe leben, Liebe zeigen, Liebe teilen.
((Spannend sind in diesem Zusammenhang auch die Worte, die unmittelbar vor Vers 14 stehen. In Vers 13 heißt es nämlich: „Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark.“ – Das aber nur mal als Randnotiz.))
Ich finde es gut, dass es so viele Einzelmeinungen sind. Dass Kirche sich nicht darauf ausruht, von einer offiziellen Stelle her zu sagen, dass man die Haltung und Pläne, Geheimtreffen und Manipulationsbestrebungen entschieden ablehnt. Sondern dass es neben den offiziellen Statements der verschiedenen Öffentlichkeitsabteilungen und -referaten auch die vielen Stimmen der christlichen Influencer:innen, der Pfarrer:innen, der Kirchenleitenden und der Ehrenamtlichen hört. Sie zeigen umso deutlicher: Wir sind viele. Wir mögen in so vielen Punkten unterschiedlicher Meinung sein. Und ja, vielleicht äußern wir uns ungern politisch, aber an diesem Punkt ist Haltung gefragt. Ein klares Zeichen. Nicht nur von wenigen, sondern von einer breiten Masse. Katholik:innen, Protestant:innen, Pietist:innen, Freikirchler:innen. Circa die Hälfte aller Bistümer und die Hälfte aller Landeskirchen haben Zitate, Statements, Bilder der Proteste oder Symbolgrafiken für ein friedliches Miteinander ALLER Menschen gepostet. Ebenso bei den Jugendverbänden. Spannend zu wissen wäre, warum die anderen schweigen? Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig.