Es ist dunkel. Ungefähr 60 junge Erwachsene stehen auf einer Wiese, die von hohen Bäumen gesäumt ist. Alle schauen gebannt in eine Richtung. Ein Lichtstrahl erhellt die Szenerie. Nein, kein Ufo-Landeplatz, sondern der zweite Abend von Secret Places in Großbottwar.
Secret Places bedeutet: Gemeinsam mit anderen fremde Orte entdecken. Willkommen sein. Livemusik genießen. Geschichten aus dem Leben hören und entdecken, dass das viel mehr auch mit dem eigenen Leben zu tun hat, als man geahnt hat.
Geheime Orte und spannende Gastgeber
Das Konzept von Secret Places ist, junge Erwachsene an nichtkirchlichen Orten in Begegnung mit anderen, mit sich selbst und mit Gott zu führen.
Die Orte sind streng geheim und werden erst zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung bekannt gegeben. Um diese Infos zu erhalten, müssen sich alle Interessierten in eine Broadcastliste eintragen. Jeden Abend spielt eine andere Band. Meist Singer-Songwriter, aber auch andere Genres wie Hip-Hop sind möglich.
Die „Gastgeber“, Verantwortliche des Ortes, Bewohner, Geschäftsführer, oder dort ehrenamtlich Tätige, werden interviewt, geben einen Einblick in ihren Alltag oder erzählen etwas über das Besondere des Ortes. Und über diese Thematik wird eine Brücke geschlagen zu einem christlichen Thema.
Jeder Ort hat ein eigenes Thema
Bei uns in Großbottwar war das beispielsweise ein Schlösschen, in dem mal ein Freiherr gewohnt hat, der im Februar 1740 viel Leid erleben musste: Zuerst starben seine frischgeborenen Zwillingsmädchen, wenige Tage später seine Ehefrau und wieder einige Tage danach auch noch der fünfjährige Stammhalter der Familie. In seiner Not gab der Mann ein Bild bei einem Maler in Auftrag. Dunkle, düstere Sterbeszenen und in der Mitte als Lichtgestalt der auferstandene Christus. Ein Glaubenszeugnis, das bis heute in unserer Kirche zu sehen ist. Thema dieses Ortes war daher „Was gibt Halt in den schwierigen Zeiten des Lebens?“.
Die anfangs beschriebene Wiese ist eine Ausgrabungsstätte. Man hatte dort Hügelgräber aus der mittleren Bronzezeit entdeckt. Thema dieses Ortes war „Muss ich erst auf den Tod warten, oder finde ich jetzt schon Ruhe bzw. gibt es ein Leben vor dem Tod?“ Und so hatte jeder einzelne Ort seine Geschichte, die in das Leben der Leute sprechen durfte.
Gottes Veranstaltung
Vor zwei Jahren haben wir Secret Places schon einmal durchgeführt. Mit großem Erfolg. Daher war für uns klar, dass wir das wieder machen wollen. Wir fanden große Unterstützung in der gesamten Gemeinde. Die Kirchengemeinderäte befürworteten die Aktion und wir spürten, dass viele für uns beteten. Wir erlebten als Team, wie Gott mitten dabei war und liebevoll bis ins Detail die Sache plante. Es war seine Veranstaltung, wir durften mitmachen.
Der Abend auf der Wiese war so ein Beispiel. Eigentlich hatten wir ihn als krönenden Abschluss am Freitag als letzten Abend geplant. Am Montag sagte mir ein Mitarbeiter, dass für Freitag Gewitter gemeldet ist. Wir fragten bei dem Biohof an, wo wir am Mittwoch sein wollten, ob wir kurzfristig Orte tauschen können, sodass wir bei schönem Wetter auf der Wiese sitzen und bei Gewitter wenigstens mit der Scheune ein Dach über dem Kopf haben. Die Planänderung klappte und am Freitag erfuhren wir, dass es eigentlich für die Gastgeber auch perfekt war, weil sie am Mittwoch den Tag zum Dreschen brauchten und so am Sonntag auch noch die goldene Hochzeit der Großeltern in der schön aufgeräumten Scheune feiern konnten.
Beschenkte Gastgeber
Offizielle Zielgruppe sind die jungen Erwachsenen. Und doch haben unsere Veranstaltungen auch goldene Spuren bei den Gastgebern hinterlassen. Nicht alle hatten vorher etwas mit der Kirche zu tun. Aber wir wurden mit offenen Armen und offenen Herzen empfangen. Alle machten deutlich, dass sie die Beschenkten sind, obwohl sie uns freien Zugang zu ihrem Haus und Hof gegeben und eine deutlich höhere Stromrechnung als sonst hatten. Eine Gastgeberin hat mich zwei Wochen später eingeladen, auf einen Kaffee und ein paar Worte. Sie war fasziniert von dem, was wir offensichtlich haben und will für sich die Sache mit dem Glauben nochmal genauer anschauen. Ob ich etwas wüsste, wo sie sich in unserer Gemeinde einbringen kann, fragte sie mich. Und ich verstand ein bisschen mehr, warum sich Jesus bei dem kleinen Zachäus eingeladen hat (Lukas 19,5). „Ich muss heute bei dir zu Gast sein“ sagte Jesus zu Zachäus, der von allen verachtet wurde für die Untaten, die er begangen hat. Und damit krempelte er sein Leben um.
Ich wünschte mir, wir würden uns öfter von Jesus mitnehmen lassen, wenn er Menschen besuchen will, die man in der Kirche nicht findet und die doch scheinbar nur darauf warten, dass wir sie wieder nach Hause einladen. Das Zuhause beim himmlischen Vater sollte kein Secret Place bleiben.