„Wir können uns doch jetzt nicht von der Zukunft verabschieden!“ – Über die Evangelische Kirche von Westfalen, ihr Innovationsförderprojekt und dessen Geschäftsführer
Eigentlich wäre er schon im Ruhestand. Und verdient hätte er ihn auch. Aber so ganz scheint das Ruhige, das Betuliche und Beschauliche nicht zu ihm zu passen. Zu dem immer noch so agilen, umtriebigen und dynamischen Klaus-Martin Strunk. Großgewachsen. Schlank. Graue Haare. Brille. Hoody mit Hemd darunter. So treffen wir uns kurz vor Beginn der Adventszeit digital. Für ein Präsenztreffen fand sich leider kein überschneidendes freies Zeitfenster. Zum Jahresende endete die Beauftragung der Evangelischen Landeskirche von Westfalen für ihn als Geschäftsführer von TeamGEIST. Doch er macht weiter. Noch ein Jahr. Für TeamGEIST. Das Innovationsförderprogramm der EKvW. In diesem verbleibenden, oder wie er sagen würde, gewonnenen Jahr, will er alles dransetzen, die einzelnen Förderprojekte noch stärker untereinander und mit anderen Innovationsprojekten in der Landeskirche zu vernetzen. „Um neues Geld zu beantragen, ist bei der angespannten Haushaltslage jetzt gerade ein schlechter Zeitpunkt“ – ist er überzeugt. „Also haben wir gar nicht erst gefragt. Stattdessen gucken wir, ob sich in einem Jahr die Situation klarer darstellt – sich neue Möglichkeiten für die Haushaltsgestaltung auftun. Für Projekte und für Vernetzung.“
Die Menschen hinter Zahlen und Fakten
Er kommt ursprünglich aus Ost-Westfalen, wohnt jetzt aber in der Nordheide bei Hamburg, und er hat auch keine klassische kirchliche Laufbahn hingelegt, trotzdem merkt man, dass Klaus-Martin Strunk mit Herz und Seele dabei ist, wenn er von TeamGEIST und der Kirche spricht. Von Menschen, die etwas Neues wagen, sich als Pioniere aufmachen, um Kirche zu gestalten und zu verändern. Der studierte Diplom-Kaufmann blickt zwar auch durchaus nüchtern-strategisch auf die Zahlen und Fakten, sieht aber zwischen den Zeilen auch all das, was sonst noch hinter Projekten und Innovationen steht: Die Menschen, die es machen. Die Menschen, die erreicht werden sollen. Der Gestalt gewordene Leib Christi in der Gemeinschaft der Akteur:innen.
Neue Projekte, neue Gemeinden, neuer Mut
Und er sagt seine Meinung. Ist unbequem. Sowohl einst als Change-Manager im Kirchenkreis Hattingen-Witten als auch jetzt, als Geschäftsführer von TeamGEIST. Weil er Dinge ausspricht, die alle längst wissen, aber nicht so gerne laut sagen. Dass es eben nicht reicht, Fördergelder zu verteilen und drauf zu warten, dass Kirche sich saniert. „Vielfach ist die Erfahrung so, dass man ein tolles Projekt startet, Fördergeld dafür bekommt, man jemanden dafür anstellen kann und wenn drei Jahre später die Förderung ausläuft, das Geld alle ist, dann ist alles vorbei. Dann gibt es große Krokodilstränen und alle sagen, dass das ja schade sei, aber ändern tut sich trotzdem nichts.“ Als Kaufmann weiß er, dass es irgendwie auch funktionieren muss, ohne dass kräftig subventioniert und gefördert wird. „Man müsste viel mehr neue Gemeinden anstoßen, die Tendenzgemeinden oder Profilgemeinden sind, die in einem Kirchenkreis verortet sind. Auf Dauer angelegt und nicht als Experiment für drei Jahre. Es kann ja nicht sein, dass man nach ein paar Jahren Neues immer wieder beendet. Man muss grundsätzlich beschließen: Ja, wir wollen, dass etwas Neues beginnt. Wir wollen in Neues investieren. Aber da muss man planen können und wollen. Da muss man klug gucken, wie man das noch vorhandene Geld einsetzt, möglicherweise eben umverteilt. Wir können ja nicht sagen, dass wir uns von der Zukunft verabschieden als Kirche. Aber genauso fühlt es sich manchmal an.“
Zwischen Tatendrang und Ewigkeitshoffnung
Wenn es um die Kirche geht, um Innovation, ums Ausprobieren und Entdecken. Um frische Formen von Kirche, um Zukunft, dann redet sich Klaus-Martin Strunk beinahe in Rage. Schneller wird er. Nachdrücklicher. Bestimmter. Doch findet er immer wieder auch zurück zu versöhnlichen Worten. „Für mich als Kaufmann ist die Langsamkeit in Entscheidungsprozessen schwer auszuhalten. Die Hütte brennt und man steht noch draußen, guckt aufs Feuer und überlegt, wie man es löschen könnte. So kann man sich nur verhalten, wenn man Ewigkeitshoffnung hat“, lacht er. „Wenn man in großen Dimensionen denkt. Aber genau diese Ewigkeitshoffnung treibt uns ja auch an.“ Ewigkeitshoffnung und die Menschen, die er in den letzten Jahren kennengelernt hat. Mit funkelnden Augen spricht er zum Beispiel über Barbara undJustin von Studio 41 in Dortmund, über Jonte vom Coworking-Space Frohet Schaffen in Iserlohn, über Birger, Pia, Stefan, Sabrina, Alexandra, Steffen, Daniel oder Jan und über viele weitere Menschen, „die wirklich was anpacken und die Kirche neu denken wollen. Die so viel Tolles auf die Beine stellen und dabei so viel Begeisterung ausstrahlen.“
Dabei kann er auch verstehen, dass es viele gibt, die am Alten, am Bekannten festhalten: „Kirche wird heute viel von Leuten gestaltet, die früher vor dreißig Jahren am Lagerfeuer saßen und schöne Lieder sangen, vielleicht auch ihren Mann oder ihre Frau kennengelernt haben und die sich wünschen, dass Kirche genauso weitergeht. So, wie in ihren Erinnerungen. Kirche muss aber mehr Bewegung werden; das ist zukunftsträchtig.“ Eine Bewegung engagierter Leute, Ehrenamtlicher, mit Unterstützung einzelner Hauptamtlicher. Ein Netzwerk von Bewegten. Ergänzend zur bestehenden Kirche, ganz im Sinne von Mixed Economy.
Suche nach der unternehmerischen Kirche
Würde TeamGEIST von der Evangelischen Kirche von Westfalen noch mal neu aufgelegt und ausgestattet werden, wünscht Klaus-Martin Strunk sich, dass die Projekte und Förderungen dann auch begleitet und evaluiert werden. Denn es gibt ja viele Projekte, die auch nach dem Förderzeitraum gut laufen, gut angenommen und besucht werden. Was unterscheidet diese von den anderen? „Ich sag ja immer, dass Kirche unternehmerischer werden muss. Kirchen sollten sich mit dem spirituellen Gemeindemanagement beschäftigen, sollten nicht statisch-beamtisch agieren, sondern marketing-strategisch denken. Überlegen, was wirklich marktgängig ist, ökonomischer denken und sich einen Platz im Markt erkämpfen. Nur dann funktionieren auch Innovationen und Transformationen“, ist der Kaufmann überzeugt.
Während er über die Erfolgsprojekte wie die Vesperkirche, das christliche Yoga Sela oder das Kindercafé KrümelReich spricht, ist da wieder dieses Blitzen in seinen Augen. Dieser Wille und das Engagement, Dinge anzupacken, zu begleiten, zu gestalten. Ein Jahr bleibt ihm noch, um diese Leute, diese Projekte, diese Ideen miteinander zu vernetzen, Synergien zu schaffen und die Kirche der Zukunft – zumindest in Westfalen – zu gestalten. In der Hoffnung, dass sich weitere Leute finden, die auch diese Zukunftshoffnung und den unerschütterlichen Gestaltungswillen in sich tragen. Ein „Suchprozess“, wie er es nennt.