inspiriert

Der fx-Innovationsbeirat: Kreativer Think Tank für die Kirche von morgen

20. September

Was macht das fx_Netzwerk eigentlich? Wofür steht das Netzwerk in Deutschland? Was sind inhaltliche, theologische, konzeptionelle, aber auch praktische Schwerpunkte der Arbeit von Fresh X? Wie kann das Netzwerk dabei helfen, das „Morgen“ der Kirche zu entwickeln – und wie wird es selbst zukünftig aussehen?

Mit all diesen Fragen – und noch vielen weiteren – beschäftigt sich der sogenannte Innovationsbeirat des Fresh X-Netzwerks. Er wurde als kreativer Think-Tank ins Leben gerufen, um sich allen aufkommenden Fragen rund um Innovation, Theologie und Kirchenentwicklung zu stellen und so die Kirchenlandschaft in Deutschland entscheidend mitzuprägen.

Dabei sind Leute ganz unterschiedlicher Konfessionen und Kirchenkulturen. Männer und Frauen, die sich – nicht nur – beruflich mit der Kirche und ihrer Zukunft auseinandersetzen. Leiter:innen, Referent:innen und Pastor:innen, die die Haltung von Fresh X innehaben, die gerne weiterdenken, kreativ werden, sich austauschen und inspirieren und gemeinsam – mit vielen anderen – um die Kirche, die Gemeinschaft der Christen, die Ökumene von morgen ringen.

Letzte Woche hat der Innobeirat wieder getagt. Hybrid. Hat nach guten Beispielen in der Kirchenlandschaft gesucht, den Trüffeln, und hat darüber nachgedacht, was für Trüffel es in den Kirchen braucht und wer gute Trüffelschweinchen sein könnten. Dabei hat sich besonders gezeigt: Die große Stärke des Innovationsbeirats sind die vielen unterschiedlichen Sichtweisen, die dabei zusammenkommen. Mit einigen der Beiratsmitglieder:innen konnten wir ins Gespräch kommen und sie nach ihrer Sicht zur Kirche und Innovation befragen:

Birgit Dierks, als eine der Organisatorinnen des Innobeirats: Wie kann eine Gremien- bzw. Beiratsarbeit überhaupt für innovative und dynamische Veränderungsprozesse aussehen?

Die innovative Arbeit erfolgt durch die Mitglieder. Durch ihre Haltungen, die sie mitbringen, durch ihre Erfahrungen. Innovation ist ja auch immer eine Kombination verschiedener Elemente und wir versuchen hier in diesem Beirat einen Raum zu schaffen, wo dieser Austausch anregend und inspirierend ist und zudem noch eine weiterentwickelnde Wirkung für die Fresh X-Bewegung hat.

An sich ist so eine Gremienarbeit jetzt allerdings nicht so wirklich fresh und innovativ.

Wir versuchen immer, innovative Orte zu finden, was uns zuweilen gelingt, aber auch manchmal anstrengend ist. Und da haben wir auch noch Luft nach oben.

Birgit Dierks, Referentin missionale Gemeindeentwicklung bei midi und Teil des fx-Teams

Christine Gühne, warum ist der Innobeirat so wichtig?  

Ich finde es sehr wichtig, in Vielfalt und Weite darüber nachzudenken, wie Kirche bei uns anders gestaltet werden kann. Dabei ist es wesentlich zu unterscheiden, was Gottes unverfügbares Tun und was unsere menschliche Gestaltungskraft und Gestaltungsaufgabe ist. Wir können Kirche nicht „machen“, aber wir können überlegen, welche Formen in unserer Zeit am ehesten angemessen sind, um dem Wirken des Geistes Gottes keine Barrieren in den Weg zu legen, sondern ihm viel und immer mehr Raum zu geben. Mir sind von meiner Biographie her (ich habe in einer Partnerkirche in Nordnigeria gearbeitet) die Themen Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Versöhnung sehr wichtig, ebenso das Lernen von der weltweiten Ökumene. Geistliche und gesellschaftliche Themen gehören für mich zusammen, und neue Gemeindeformen, die up to date sind in unserer Zeit, kann ich mir nicht vorstellen ohne diese Dimension. Und genau das, kann ich in den Innobeirat und die Überlegungen für eine Kirche von Morgen gut einbringen.

Sollte Theologie innovativ sein – oder gerade nicht?

Eine Theologie, die innovativ sein nur um der Innovation willen oder nur um sich mit einem trendigen Begriff zu schmücken betreibt, ist kein Wert an sich, und Innovation ist daher kein Selbstzweck und auch keine Marketing-Strategie. Ich erlebe den Geist Gottes als eine Kraft, die beides kann und die Pole verbindet, die wir leider manchmal trennen: Da ist in ihm zum einen das bewahrende Element – er erinnert an eine Geschichte, die uns alle bleibend verbindet, und die wir weitertragen sollen in jeder Zeit. Da ist aber auch die Kraft in ihm, in der Art und Weise dieses Weitertragens immer neu zu fragen, wie das jetzt gerade aussehen kann, was dazugehört in dieser Zeit, angesichts dieses Kontexts, dieses Menschen, dieser Situation. Die gleiche Botschaft und Geschichte immer neu zum Ausdruck bringen – da steckt beides darin: Bewahrung, Erinnerung, Schätze aus der Vergangenheit achten und würdigen und uns in eine Geschichte hineinstellen – und Aufbruch, Veränderung, Neues wahrnehmend und gestalten. Worte finden, die das Evangelium heute treffend formulieren und auf den Punkt bringen. Daher ist Innovation immer notweniger Teil von Theologie und Gemeinde, aber nicht alleine und nicht in dem Sinne, das alles Alte über Bord geworfen wird. Wo Gottes Geist uns an Gottes Geschichte erinnert und sie uns zugleich zum Anlass wird, weiterzugehen und zu verändern, da ist Innovation geerdet und echt und kann im Grundton von „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“ zu neuen Einsichten und Schritten führen, die uns ungewöhnliche Wege finden und dann auch gehen lassen.

Christine Gühne, Theologische Referentin bei Brot für die Welt

Sandra Bils, warum braucht man heute überhaupt noch innovative Kirchenentwicklung? Hat sich das Konzept Kirche nicht bald überholt?

Innovative Kirchenentwicklung ist in der heutigen Zeit deshalb so relevant, weil – sehr wahrscheinlich – manche Strukturen und Formen von Kirche absehbar sterben werden. 

Da aber die Kirche grundsätzlich nicht totzukriegen ist – gottseidank – tun wir gut daran, Gott nicht dabei im Weg zu stehen, wenn er Neues entstehen lässt. Innovative Kirchenentwicklung hilft dem Neuen in der Kirche Fuß zu fassen.

Dr. Sandra Bils, Referentin bei midi, Honorarprofessorin an der CVJM Hochschule

Thomas Schlegel, muss ein innovativer kirchlicher Neuanfang einhergehen mit einem (radikalen) Abbau von Kirchenstrukturen so wie sie jetzt sind?

Für mich gehört die Innovation in den Bereich des Aufbaus. Definitiv. Der Rückbau ist getrennt zu planen und folgt dem typischen Schrumpfungsmuster von Organisationen. Aber auch ein Umbau kann dazugehören. Zum Umbau gehört, dass man auch dem Gehen neuer Wege Aufmerksamkeit schenkt. Wenn Rückbau aber tatsächlich Aufbau provoziert (oder besonders günstige Rahmenbedingungen dafür liefert), wird der dort geschehen, wo der Rückbau am spürbarsten ist: an den Rändern. Dort, wo am meisten verdünnt wird und der größte Freiraum und der größte Druck entstehen und ein radikaler Neuanfang möglich ist.

Dr. Thomas Schlegel, Referatsleitung Gemeindeentwicklung und Mission in der EKM

Florian Karcher, welche Materialien oder Methoden sind wirklich noch innovativ?

Innovation kriegen wir eigentlich nur mit Methoden hin, die auf links sitzen, also Methoden, die Menschen und Dinge miteinander in Verbindung bringen, die helfen, die Orte, die Themen und die Sachen zu identifizieren, wo wirklich Innovation möglich ist. Ich glaube nicht, dass wir Innovation mit so Promotingsystemen hinkriegen, sondern dass es darum gehen muss, Leute und Ideen miteinander zu vernetzen. Und dafür braucht es bestimmte Methoden.

Aber die coolste Methode nützt ja nichts, wenn nicht schon auch was Gutes oder Innovatives da ist, oder?

Ich würde sagen: Es ist immer etwas da. Es ist nur die Frage, wie kitzel ich das raus oder wie schaffe ich ein Setting, in dem das Gute, das schon längst da ist, das Gute, was Gott schon längst in diese Kirche, in diese Welt gelegt hat, rauskommt oder uns hervorholen.  

Prof. Dr. Florian Karcher, Leiter des Instituts für missionarische Jugendarbeit und Studiengangsleiter Religions- und Gemeindepädagogik / Soziale Arbeit an der CVJM Hochschule

Martin Brändl, wie gelingen innovative neue Aufbrüche?

Innovative neue Aufbrüche gelingen da, wo ich begeistert bin von Gott und Anteil habe an seiner Sehnsucht nach der Welt, nach seinen Menschen. Wo ich dieser Sehnsucht folge, die Menschen sehe, wo und wie sie leben und schaue, was das Evangelium für sie für eine Relevanz bekommen kann, was das Evangelium für sie konkret in ihrem Leben sagt und wie ich das mit ihnen teilen und erleben kann, da und so entsteht Neues.

Sind neue Aufbrüche immer innovativ?

(lacht) Da ist die Frage, was man unter innovativ versteht. Neue Aufbrüche hängen auch immer damit zusammen, dass sie von irgendwo herkommen. Das heißt, dass ich eine Begeisterung mitbringe, dass ich den Glauben kennengelernt habe, das heißt, ich komme aus einer Tradition heraus, aus bewährten Formen und entdecke dann etwas Neues und mache das dann. Für mich ist es ganz wichtig, dass das Bewährte und das Neue komplementär zusammenpassen. Sich nicht alternativ, gegeneinander entwickelt. Von daher ist es natürlich etwas Innovatives, aber es ist auch immer etwas Anknüpfendes an das, was da ist.

Dr. Martin Brändl, Pfarrer (für missionarische Aufbrüche) in Baden-Württemberg (in der Evangelischen Kirchengemeinde Endingen)

Markus Schulz, wie innovativ sind kirchliche Start-ups?

Das kommt ganz auf das Start-up an, das kann man gar so nicht so ohne Weiteres sagen. Ich finde, Start-ups sind im Großen und Ganzen immer noch sehr innovativ, weil sie eine völlig andere Arbeitsweise haben als das Behördendenken in Kirche normalerweise hat. Sie gehen komplett anders an eine Sache heran; nicht von dem her: Welches Gremium hab ich, welche Verantwortung trag ich, sondern: Was können wir anfangen und wie können wir sofort durchstarten. Und deswegen sind Start-ups häufig etwas, das in so ein kirchliches Denken gar nicht reinpasst.

Markus Schulz, Pfarrer und Start-up-Begleiter in Lörrach

Norbert Aufrecht, wie kann ein gutes und innovatives Change-Management in Kirchen funktionieren?

Es braucht zuerst eine Vision von dem Neuen. Es braucht die Promotoren, die vorausgehen und die die Vision tragen. Eine geistliche Gemeinschaft, die sie gemeinsam bilden und es braucht auch einen barmherzigen Umgang mit denen, die nicht so schnell mitgehen können. Es braucht kleine Schritte der Veränderung, die gut verlaufen und die anderen helfen, den Weg mitzugehen. Wenn man in einer bestehenden Organisation aufbrechen will, wird es immer ein evolutionärer Ansatz sein, wo man wertschätzt und weiterentwickelt, was schon da ist, oder auch parallel daneben Neues pflanzt, ohne den anderen das Alte zu nehmen.

Norbert Aufrecht, Diakon von dreisam3, evangelische Gemeinde mitten in Freiburg und Change-Manager
Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.