Seit jeher zieht es die Menschen in die Natur. In die Schöpfung. Dort fühlen sich verbunden und verwoben. Eingebettet in den übernatürlichen, allumfassenden göttlichen Kosmos. Staunen über die Schöpfung, empfinden Demut und Dankbarkeit. Und das nicht erst seit der Corona-Pandemie, wo Gottesdienste, Feiern, Veranstaltungen in geschlossenen Räumen selbst bei geöffneten Fenstern und Türen nur stark reglementiert möglich waren. Aber gerade diese Zeit hat dazu beigetragen, dass etliche “Churchies” die Natur und die Möglichkeit, draußen in der Schöpfung Gott zu begegnen und Gottesdienst zu feiern, (wieder neu) zu wertschätzen lernten. Zahlreiche Angebote, die bis dato “drinnen” stattfanden, wurden “nach draußen” verlagert:
- Seelsorgegespräche in Bewegung bspw. bei einem Spaziergang
- Stationen-Gottesdienste, Lauf-Gottesdienste, Gottesdienste am Lagerfeuer
- Waldbaden und Waldmeditationen
- Wald-Jungschar
- Pilgerwanderungen
- (Advents)Singen um den Weihnachtsbaum, auf dem Dorfplatz, im Park oder auf nem umliegenden Feld
Die Natur, die Schöpfung Gottes, wurde und wird als ein Ort, als ein Resonanzraum, erlebt, an dem es leicht fällt, Spiritualität zu entdecken und zu leben. So ist es nicht verwunderlich, dass sich auch nach offizieller Beendigung der Pandemie vermehrt kirchliche Gruppen draußen treffen. An sich sind Open-Air-Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen im Freien nichts Neues.
Frische Formen von Kirche im Freien
Neu sind aber die hier und da entstehenden “wilden Kirchen“, “Kirche im Grünen” oder “Wild Churches“. Sie entstanden und entstehen, weil Menschen sich nach einer tieferen Verortung in der Schöpfung sehnen und neue Formen finden, wie man Gott als den Schöpfergott feiern und mit ihm in Beziehung treten kann. Und na klar, auch hier gibt es große Unterschiede. Es gibt Menschen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, ihre Kirche im Grünen so auszugestalten, dass sie die klassischen Gottesdienste nach draußen verlegen und die Schöpfung intensiver in die Predigten mit einbeziehen. Es gibt Gruppen, die sich stark an den keltischen Mönchen orientieren, und deren mystische Spiritualität von Licht, Schatten, Natur, den Elementen oder Jahreszeiten geprägt ist. Es gibt Gruppen, die feste Bedachungen vollkommen ablehnen und bei jedem Wetter draußen sind; es gibt Gruppen, die sich aus den Materialien, die ihnen die Natur zur Verfügung stellt, einen Unterschlupf bauen; es gibt Gruppen, die vor allem in Bewegung sind. Es gibt Menschen, deren heiliger Ort ein Gemeinschaftsgarten ist, den sie bewirtschaften und in dem sie Gemeinschaft feiern. Es gibt Streuobstwiesen, die zu einer Kirchengemeinde gehören und von einer Gruppe Freiwilliger, wie beispielsweise einem Ortsring, Heimatverein o.ä. gepflegt werden und so als ein Ort des Zusammenkommens dienen. Ein aktiv gestalteter Sozialraum. Und es gibt Gemeinschaften, die aufgrund der Klimakrise beschlossen haben, ihre Kirchen anhand bestimmter Schöpfung bewahrender Aspekte neu auszurichten und zu zertifizieren.
Der Rhythmus der Natur und des Göttlichen
Und es scheint anzukommen. Nicht nur bei Männern. Nicht nur bei Outdoorfans. Nicht nur bei Klimaaktivisten. Die Sehnsucht, sich zu erden, sich mit der Umwelt zu verbinden, eins zu werden mit der Schöpfung Gottes steckt in vielen von uns. Die Natur dient als Katalysator für tiefere Beziehungen, da Menschen sich miteinander und dem Göttlichen verbunden fühlen. Die Jahreszeiten und Naturzyklen werden oft in die spirituelle Praxis integriert, was zu einem erhöhten Bewusstsein für die Rhythmen der Natur führt.
Solche Formen von Gemeinschaft, von Kirche, bieten die Möglichkeit, noch einmal ganz neu zu überlegen und zu entscheiden, wie man diese Resonanzräume der Schöpfung füllen könnte. Wie man sich in ihnen bewegt. Welche Formate da passen. Muss es immer Musik geben? Muss es immer eine Predigt geben? Muss es immer eine Meditation geben? Wie bewegt man sich im Wald, auf der Wiese, am See? Sitzt man, steht man, geht man? Wie verändert sich das Zusammenkommen und Feiern bei Sonnenschein, Regen oder Kälte?
Die Natur lädt uns ein. Gast zu sein. Sie zu genießen (und zu bewahren!). Uns inspirieren zu lassen. Uns auszuprobieren. Es liegt an uns, diese Einladung anzunehmen. Hinzugehen. Rauszugehen. Hinzuhören. Hinzuschauen. Gast zu sein. In der Natur. In dieser Welt.