Es gibt viele Gemeinden (und christlichen Werke). Und viele Christen aus verschiedenen Ländern. Interkulturelle Arbeit, also eine Arbeit, die Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander verbindet, gibt es ebenfalls schon seit vielen Jahren. Punktuell zumindest. Und gesamtgesellschaftlich. Immerhin haben wir aufgrund unserer Geschichte eine Vielzahl an Migrant:innen in unserer Gesellschaft, mit denen eine Integration angestrebt wurde und werden soll. Bisherige Versuche jedoch – vor allem die in Kirche – beschränkten sich auf freundliche Partnerschaften, Konferenzen, Events oder Foren, auf denen Einheit gefordert und postuliert wurde, jedoch in der Breite nicht viel passiert ist.
Es soll an dieser Stelle auch niemandem Unrecht getan werden. In etlichen Landeskirchen gibt es Beauftragte oder Abgeordnete für die Interkulturelle Bildungsarbeit. Es gibt Partnerschaften zwischen kulturell verschiedenen Gemeinden, interreligiöse Gesprächskreise sowie einige diakonische Angebote, die den kulturellen und interreligiösen Austausch fördern. Und doch sind wir leider noch lange nicht an einem Punkt, an dem man als People Of Colour in Deutschland keine Angst haben muss. An dem man nicht mit tätlichen Angriffen (in Kirchen!) rechnen muss, wie zuletzt Sarah Vecera bei einer Lesung in Leipzig. Wir sind als Kirche noch immer kein Ort, an dem Menschen sich sicher fühlen, an dem wir einander auf Augenhöhe begegnen und uns füreinander, für unsere Verschiedenartigkeit, für unsere Vielfalt interessieren und begeistern. Dies zu ändern und Diversität zu fördern, ist auch eine Aufgabe, der sich all die innovativen Förderprogramm verschrieben haben – sowie einige Initiativen, Vereine und Werke. Eine kleine Auswahl wollen wir hier vorstellen:
Hoffnungsträger
Auf unseren letzten Newsletter hin, meldete sich Sonja Hörnlen von der Stiftung Hoffnungsträger. Bereits seit vielen Jahren setzen sie sich für Integration und Gemeinschaft ein. Aber lassen wir sie selbst sprechen: „Wir Hoffnungsträger sind eine christliche Stiftung, die sich seit 2016 für Integration einsetzt. In unseren Hoffnungshäusern leben in Deutschland verwurzelte Menschen und Geflüchtete Tür an Tür. Beide Gruppen machen je die Hälfte der Hausgemeinschaft aus, wobei die Deutschen Bewohner Christen sind. Die Hausgemeinschaft gestaltet das Leben im Hoffnungshaus bewusst und es wird viel Wert auf Begegnung und persönliche Beziehungen gelegt. Im Rahmen des integrativen Wohnkonzeptes für das Hoffnungshaus beschäftigen wir uns intensiv mit Fragen der Interkulturalität und des interreligiösen Dialogs. Dabei verstehen sich alle Bewohnerinnen und Bewohner in interkulturellen und interreligiösen Begegnungen als Lernende. Darüber hinaus zeichnet sich das Hoffnungshaus durch die Aspekte Bildung, Sozialarbeit und die Einbindung ins gesellschaftliche Leben aus.“ Hoffnungshäuser gibt es bereits in zehn verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, weitere sollen folgen. Es gibt verschiedene Wohnungsgrößen, sodass sowohl Singles, Wohngemeinschaften als auch Familien etwas Passendes für sich finden und sich in nachhaltig gebauten Häusern finden.
Himmelsfels
Die Geschichte des Himmelsfels‚ in Spangenberg (Nordhessen) ist einzigartig: Einst war an der Stelle gar kein Berg oder Fels – vielmehr ein tiefer Krater. Einöde. Ein trauriger Ort mit dem Namen „Galgenberg“. Doch ein junges Ehepaar erkannte das Potenzial der Brachfläche und trug über 25 Jahre lang Erdschicht für Erdschicht neu auf. Aus der Einöde wurde ein Park. Aus dem Galgenberg wurde der Himmelsfels. Seit 2007 ist das Gelände Teil einer gemeinnützigen ökumenischen Stiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „Gräben zwischen verschiedenen Konfessionen und zwischen verschiedenen Nationalitäten und Kulturen beispielhaft zu überwinden.“ Dabei setzen sich die Verantwortlichen für Arbeitssuchende aus der Region, für Geflüchtete, für die Förderung von Kunst und Musik und Austausch ein und sieht sich als ein wichtiger Impulsgeber für neue Formen kulturellen Lebens in Kirche und Gesellschaft. Zentrales Element ist dabei die besondere (internationale) Gastfreundschaft, die den Himmelsfels auszeichnet. Hier her kommen Menschen jeglicher Herkunft, Hautfarbe und Kirchenzugehörigkeit, um Gemeinschaft zu leben, Versöhnung zu teilen, Spiritualität zu entdecken und Vielfalt zu feiern. Realisiert wird das durch die Veranstaltung internationaler Camps für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Konfi- oder Firmgruppen, u.ä. Die Himmelsfels-Akademie bietet verschiedene Fortbildungen und Vorträge an, um die interkulturelle Kompetenz eines:einer jeden zu stärken – und um Singstimmen zu fördern.
Interkulturelle Gemeindearbeit
Manche Gemeinden verstehen unter interkultureller oder transkultureller Gemeindearbeit, dass man das Kirchengebäude auch anderen Gruppen oder ortsunabhängigen Gemeinden zur Verfügung stellt. Es gibt aber auch einige, die Konzepte entwickelt haben, die deutlich darüber hinaus gehen. In deren Gottesdienste weiße und schwarze Menschen gemeinsam feiern. In denen Psalmen auf Koreanisch gesprochen und auf Deutsch übersetzt werden. In denen Vielfalt gelebt und ein bunter Kulturmix wertgeschätzt werden. Zum Beispiel im Weigle Haus in Essen. Dort fing alles mit Kirchenasyl und ersten Deutschkursen an. Immer mehr Menschen schlossen sich dem freien Werk innerhalb der Kirche im Rheinland an und so wurde der nächste Schritt eingeläutet: Keine Integration, sondern eine transkulturelle Gemeinde sollte entstehen, in der sich Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und mit verschiedenen kulturellen Hintergründen auf Augenhöhe begegnen und einander bereichern.
Eine intensive Zusammenarbeit besteht zwischen der evangelischen Lydia-Gemeinde und dem transkulturellen Gemeindeprojekt Studio41 in Dortmund. In den Räumen der Lydia-Gemeinde feiert die junge Start-up-Kirche alle drei Monate einen transkulturellen Gottesdienst, gestaltet die Konfirmandenarbeit mit den Konfis der Lydia-Gemeinde zusammen, genauso wie einige Feste und Feierlichkeiten und ist darüber hinaus im multikulturell geprägten Stadtteil, der Dortmunder Nordstadt, unterwegs.
In Wuppertal hat sich seit 2018 ein buntes Netzwerk von Christ:innen verschiedener Herkunft gebildet, die gemeinsam – interkulturell und international – Gottesdienste feiern: die Internationale Evangelische Gemeinschaft Wuppertal (IEG). Einmal im Monat trifft man sich, um mit je einer anderen Kirchengemeinde Gottesdienst zu feiern und einen Prozess für eine interkulturelle Öffnung anzustreben. Daneben gibt es einen internationalen Chor, internationale Kochabende und Bibelabende.
Und auch im Münsterland widmet man sich dem interkulturellen Gemeindeaufbau und Gemeindewachstum, seitdem man 2015 bemerkt hat, dass immer mehr Menschen aus anderen Ländern die ländliche Region beheimateten und „Farbe in den Alltag und die Kirchen“ brachten. Seitdem will man sich auf Augenhöhe begegnen, voneinander lernen, interessiert sich füreinander und sucht nach gemeinsamen Ausdrucksformen von Glaube, Spiritualität und Kirche sein.
Die Interkulturelle Gemeinde an Nahe und Glan gestaltet ihre Arbeit aus dem tiefen Wunsch nach Gemeinschaft heraus. In der Region gibt es bereits seit Längerem viele Geflüchteten, die von Ehrenamtlichen begleitet werden. Gemeinsam Kirche gestalten und neue Formen von Spiritualität entdecken – so ist die Interkulturelle Gemeinde in Bad Kreuznach 2021 entstanden. In jedem Gottesdienst wird den verschiedenen kulturellen Hintergründen Rechnung getragen, die Themen im Gemeindealltag entstammen allesamt aus der Lebenswirklichkeit der diversen Mitglieder. Dabei werden die Gottesdienste und Veranstaltungen in einfach deutscher Sprache abgehalten und bei Bedarf übersetzt.
Daneben gibt es viele weitere Projekte, Gemeinden und Personen, die sich für den Austausch und die Integration von Herkünften und Kulturen einsetzen. Auslandspfarrer:innen, Integrationsbeauftragte, interkulturelle Veranstaltungen und Symposien, eine enge Zusammenarbeit mit diakonischen Werken. Es ist einiges im Wandel – doch es ist noch ein langer und weiter Weg, den wir als Kirche und christliche Werke zu gehen haben, damit Menschen sich bei uns sicher fühlen und Heimat finden. Machen wir uns also besser heute noch auf die Socken.