Kürzlich las ich auf der Website reflab.ch einen interessanten Blogbeitrag über Kamela Harris, Donald Trump und die Zukunft Amerikas. Ja, es ist Wahlkampf – und der geht auch an Deutschland, der Schweiz, an Europa nicht spurlos vorbei. “In Kamela und Lot, seine Frau und Donald” von Jonas Simmerlein geht es aber nicht nur um die ohnehin schon zerredete TV-Debatte Mitte September; es geht auch – der Titel des Beitrags weist darauf hin – um eine biblische Geschichte. In Genesis wird berichtet, wie Gott Abraham und seinem Bruder Lot Orte zum Niederlassen aussuchen lässt. Doch Lot trifft offenbar eine schlechte Wahl. Denn nur ein paar Kapitel später schickt Gott Engel bei Lot vorbei, um ihn aus Sodom rauszuschaffen. Bedingung, sie sollen so schnell wie möglich los, nicht viel einpacken, fix in die nächste Stadt gehen und sich BLOSS NICHT umdrehen.
Der Blick ins Ungewisse
Sie laufen los. Den Blick geradeaus. Nach vorn gerichtet. Auf das Unbekannte, das Ungewisse, das Neue. Auf das, was noch nicht da ist, sich aber in der Ferne abzeichnet. Der Zukunft entgegen. Doch dann kommt der Moment, in dem Lots Frau sich kurz umblickt. Zurückschaut auf das, was war, auf das Bekannte, das, was einen auch geprägt und zu dem gemacht hat, was man heute ist. Es wird in der Bibel nicht erzählt, warum Lots Frau zurückblickt, mit welcher Intention. Zweifelt sie, ob Gott wirklich so grausam ist und Sodom und Gomorrah tatsächlich gerade vernichtet werden? Hat sie Angst, dass ihnen jemand aus ihrem alten Leben, aus ihrer Vergangenheit folgt? Will sie sich noch einmal verabschieden und einen letzten Blick auf ihr altes Leben werfen? Sucht sie Beruhigung und Bestätigung dafür, dass das, was sie gerade tun, das Richtige ist? Oder überlegt sie tatsächlich zurückzukehren? Ist die Angst vor dem Neuen, Fremden, Unbekannten wirklich so groß, dass sie lieber Hass, Gewalt und Vernichtung in Kauf nimmt, weil es ihr als das kleinere Übel erscheint? Wir wissen nicht, was sie dazu bewegte, einen letzten Blick zurückzuwerfen – und, ob es sich dabei nur um einen Blick oder eine Drehung ihres (Ober)Körpers und damit ihrer Richtung handelte. Aber augenblicklich danach erstarrt sie zur Salzsäule. Ein Blick in die Vergangenheit lähmt. Lässt einen in der Bewegung Richtung Zukunft verharren und erstarren.
Braucht die Kirche der Zukunft die Vergangenheit?
Und was lernen wir für uns, für heute, für die Gegenwart und für die Zukunft der Kirche daraus? Ein Blick zurück schadet? Wir sollten nicht in alten Traditionen verharren, weil sie uns lähmen? Oder ist es doch gut, vielleicht sogar mutig, einen Blick zu riskieren, mal kurz über die Schulter zu lugen, um zu beäugen, was hinter uns liegt? Aus Erfahrungen werden wir klug, sagen wir gerne. Aus der Vergangenheit lernen, propagieren wir. Doch tun wir das wirklich? Darüber lässt sich sicher streiten. Sollen wir also alles hinter uns lassen, was einmal war, den Blick geradeaus auf die Zukunft, mit großen Pionierschritten hinein in das Unbekannte, das Ungewisse? Geht’s immer nur nach vorne weiter? Und was machen wir mit denen, die nicht so schnell Schritt halten können oder wollen? Die eine kurze Rast brauchen, die aus der Vergangenheit Mut und Kraft schöpfen für die Zukunft. Warten wir auf sie? Gehen wir schon mal vor? Halten wir ihnen die Augen zu? Oder versuchen wir, ihren Blick auf den Horizont zu richten? Schaden die Traditionen, schadet die Vergangenheit Kirche? Oder ist es etwas, was uns als Kirche, als Leib Christi auch voranbringt, worauf wir aufbauen und weiterbauen können? Ist der Blick zurück in die Vergangenheit das, was uns (zur Salzsäule) erstarren lässt? Oder ist das, was wir aus der Vergangenheit lernen das sprichwörtliche “Salz in der Suppe”?