Manche Dinge hört man in seiner Jugend und merkt erst Jahre später, dass es eigentlich ein destruktives Narrativ war, welches man verinnerlicht hat. Mir ging es so mit der Theorie der „Patchwork-Religion” oder “Buffet-Mentalität”. Kurz zusammengefasst behauptet diese Theorie, dass vor allem Jugendliche nicht mehr Religion als Ganzes – mit all ihren Pflichten – annehmen, sondern sich wie an einem Buffet nur die gut schmeckenden Teile nehmen.
Religion, so die These, verkomme dadurch zu einer Wellness-Religion. Das was nett ist, wird behalten, das was herausfordert, wird abgelehnt. Dabei war ein Beispiel in meiner Schulzeit: Menschen beten, singen in Taizé und helfen beim Kirchentag, aber machen Yoga, lehnen die Sexualmoral ab und heiligen nicht den Sonntag.
Der Fachterminus für eine Vermischung von Elementen verschiedener Religionen ist Synkretismus. Und ich habe lange unreflektiert geglaubt, dass es genauso ist.
Dabei war ich mir selbst ein eigenes Beispiel. Ich weiß jetzt, dass es ganz normal ist in seiner Identitätsfindung in die Exploration zu gehen und verschiedene Elemente abzutasten, um herauszufinden, was einem in der Beziehung zur Transzendenten fördert und was hindert. Eigentlich eine Entwicklung, die gewollt ist, denn in den Dokumenten zur Katechese steht sinngemäß immer, dass sie zum Ziel das mündige Christsein hat. Das geht, so zeigt es das Identitätsmodell nach James E. Marcia, nur durch Exploration.
Hinter der Angst vor Synkretismus steht die Vorstellung, dass Glaube Wahrheit ist, die möglichst rein weitergegeben werden muss. Nicht das Ausprobieren, sondern das Annehmen steht dabei im Fokus. Doch Dinge, die nur weitergegeben werden, werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht genutzt.
Glaube ist keine Frage-Antwort-Sammlung, um moralische Vorstellungen im Leben zu implementieren. Glaube ist die Beziehung zwischen Mensch und Gott. Wie bei jeder anderen Beziehung geht es auch hier darum zu lernen, was die Beziehung unterstützt und was sie am Wachsen hindert. Diesen Punkt übersieht die Patchwork-These. Beim Explorieren des spirituellen Riten- und Traditionsreichtums anderer Religionen geht es beispielsweise häufig nicht um die Übernahme von Wahrheiten, sondern um das Wahrnehmen eines weiteren Wegs, um Gott im eigenen Leben Alltag werden zu lassen. Nicht Dogmen werden übernommen, sondern ein Weg zu Gott.
Wenn ich wirklich glaube, dass es nur einen Gott gibt, kann ich darauf vertrauen, dass sie am Ende eines jeden Weges steht.