inspiriert

Von Kirche und Schnellkochtöpfen

31. März

Es war 1690 als Denis Papin eine revolutionäre Erfindung machte. Er erbaute nicht nur den ersten Schnellkochtopf, sondern auch den Prototypen der ersten Dampfmaschine. Hausfrauen auf der ganzen Welt kennen die Vorzüge dieser Erfindung: Zeitersparnis, Energieeinsparung, schonendere Zubereitung sowie eine bessere Konsistenz der zubereiteten Lebensmittel. Druck also ist gut. Grundsätzlich und zunächst einmal.

Doch was hat der Schnellkochtopf mit Kirche zu tun? Das erklärte Sandra Bils in ihrem Hauptvortrag auf dem Netzwerktreffen des Fresh X-Netzwerks am 20.03.25 in Stuttgart. Denn auch Kirche steht unter Druck – so lautete ja die These und der Titel des Treffens. Auf Kirche lastet ein systemischer Druck aufgrund der allgemeinen Veränderungen, denen sich Kirche und Gesellschaft ausgesetzt sehen. Innovationen, wie die des Schnellkochtopfs oder kirchlicher Veränderungen folgen dabei, so Bils, dem immer gleichen Schema:

Phasen der Veränderung – und des Drucks

Zunächst haben Veränderungen einen kleinen Nischenerfolg. Jemand hat eine Idee, ein paar andere finden die auch gut, sie probieren sie aus, haben damit Erfolg. Es läuft. Anschließend breitet sich die Idee aus. Andere Menschen hören von der Idee, finden sie ebenfalls gut, adaptieren und erproben sie in ihrem Kontext. Das wiederum führt zu einer Destabilisierung des Systems. Denn es kommt etwas Neues hinzu, etwas Anderes, etwas Ungewöhnliches. Etwas, das im bisherigen System nicht vorgesehen war – deshalb wird dieses jetzt durchgerüttelt. Erst im letzten Schritt, setzt sich die Veränderung, die neue Idee flächendeckend durch, wird implementiert. In jeder der vier Phasen herrscht Druck. In Phase 1 ist es ein interner oder externer Druck, der zur Idee führt, in Phase 2 herrscht ein gewisser Frustrationsdruck vor, in Phase 3 kann man von einem Veränderungsdruck sprechen und in der 4. Phase von einem Anpassungsdruck. Druck ist also etwas, so Sandra Bils, was wir alle gerade spüren. Innerhalb und außerhalb von Kirche. In jeder Position, jeder Funktion, jeder Statusgruppe.

Innovationen sind hierbei aktuell das Mittel der Wahl, doch vielerorts ist man von Innovationen noch weit entfernt – es handelt sich dabei eher um Inventionen. Denn „eine Innovation ist erst dann eine Innovation, wenn alle das halbwegs geil finden.“

Neugier oder doch Kontrollzwang?

Doch Druck kann dazu führen, dass der Kessel explodiert. Beim Schnellkochtopf von Papin gab es deshalb ein Ventil, über das der Druck entweichen konnte und einem nicht das ganze Essen um die Ohren flog. „Wo sind kirchlicherseits Ventile zum Regulieren“ fragte Sandra Bils die rund 60 Teilnehmer:innen des Netzwerktags. Und andererseits auch: „Wo wird Druck strategisch aufgebaut?“ Druck, der sich dadurch zeigt, dass man den Innovator:innen innerhalb von Kirche wenig zutraut, viel kontrolliert und dadurch verhindert. Das wäre so, als würde man beim Schnellkochtopf immer wieder gucken, ob das Gerät auch tatsächlich das tut, was es soll. Und ob das Essen wirklich gut durchgart. Was als Neugier getarnt ist, zeigt zumeist doch Zweifel und mangelndes Vertrauen. Bei Papins Gerät verursacht das vorzeitige Öffnen des Deckels oder des Ventils, das der Prozess abgebrochen wird. Der Schnellkochtopf kann seine Wirkung nicht entfalten – ist von da an für den Kochvorgang ein gewöhnlicher Kochtopf. Auch ohne konkrete Übertragung fallen einem sofort Beispiele ein, wo das in Kirche auch schon genauso stattgefunden hat.

Die Zeit ist mit denen, die ausprobieren

Zum Ende ihres Vortrags ermutigte Sandra Bils die Anwesenden: Ohne Versuche gäbe es kein Fortschritt. In allen Bereichen des Lebens. Es sei also gut, dass Leute draußen Kirche neu erprobten. In vielen verschiedenen Facetten. Manches davon wird scheitern, aber das ist okay, denn etwas anderes entsteht. Manche Erfindungen brauchen zudem Zeit, ihre tatsächlichen Potentiale werden oft zu spät erkannt und haben erst nach einigen Jahren den durchschlagenden Erfolg, der ihnen gebührt. Die Zeit ist auf der Seite der Innovator:innen, auf der Seite der Pionier:innen, auf der Seite derer, die mit guten Ideen, die Kirche verändern und voranbringen wollen.

Autorin, Lektorin, Redakteurin von Beruf. Im Fresh X-Netzwerk und an der CVJM-Hochschule. Mitarbeitende, Mitdenkende, Mitgestaltende in Kirche. Suchende, Sehnende, Scheiternde, Fragende, Findende, Fordernde im Privaten.