Von einer brennende Kirche, Brandschutzkonzepten und Feuerlöschern
- Ein neuer Gemeindekirchenrat wurde gewählt. Einige der vorherigen Mitglieder sind nicht mehr dabei, neue sind nachgerückt. Damit gute Entscheidungen getroffen werden können, ist es wichtig, als Team gut zu funktionieren. Doch wie?
- Regiolokale Kirchenentwicklung. Lange Wörter und ein großes Vorhaben. Kirchengemeinden rücken auf der Beziehungs- und Veranstaltungsebene zusammen. Es entstehen Pfarrteams oder -tandems oder sogenannte multiprofessionelle Teams. Gemeinsam erarbeiten sie eine Strategie, wie Kirche vor Ort aussehen und gelebt werden kann. Aber wie konkret?
- Wie sieht die Zukunft von Kirche aus? Von der Gesamtkirche her gedacht, wäre eine Antwort darauf ein Blick in die Glaskugel. Doch im Kleinen kann man schon entsprechende Weichen stellen und Zukunftsbilder malen. Wie werden sie aussehen?
Das sind nur ein paar der Herausforderungen und Fragen, mit denen sich Haupt- und Ehrenamtliche in verschiedenen kirchlichen Ebenen konfrontiert sehen. Gott sei Dank müssen sie in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg die Antworten und Lösungen darauf nicht gänzlich alleine finden, sondern können sich Unterstützung holen: von der “Arbeitsstelle für Gemeindeberatung, Organisationsentwicklung und Kirchenältestenfortbildung“. Mit immerhin vier Hauptamtlichen und 12 Neben- und Ehrenamtlichen hat sie in einer der kleinsten Kirchen der EKD dennoch genügend Kapazität, um den steigenden Anfragen nach Begleitung und Beratung nachzukommen.
Gemeindeberatung in Oldenburg
Tobias Haack ist seit nicht ganz einem Jahr einer von ihnen. Nach seinem Studium an der CVJM-Hochschule Kassel arbeitete er zunächst ganz klassisch als Jugendreferent. Die strategische Weiterentwicklung von Gemeinden, die Beratung von Teams und kirchlichen Leitungsgremien sowie die Erarbeitung von Konzepten und Strategien für eine zukunftsfähige und relevante Kirche lockte ihn über die Pfalz ins Siegerland bis schließlich nach Oldenburg, wo er seit April 2023 angestellt ist. Seitdem berät er mit seinen Kolleg:innen Gemeindekirchenräte und andere Gremien bezüglich Teamentwicklung und Gruppendynamik, begleitet Pfarrteams, führt Prozessmoderationen oder auch mal Kriseninterventionen durch und unterstützt Gemeinden, die Hilfe bei der strategischen Ausrichtung hinsichtlich Zukunftsentwicklungs- und Perspektivfragen haben. Viele Gemeinden spüren einen Druck, „Entwicklungsräume“ gut zu gestalten und sind damit häufig überfordert. Dass, so erklärt er, sei die Gelegenheit Prozesse zu gestalten und Manches ausprobieren zu können und zu dürfen.
Das Beste draus machen
Viel Gestaltungs- und Begleitungspotenzial. Wie schade, dass die Arbeitsstelle manchmal – mit Tobias‘ Worten bildlich gesprochen – eigentlich Brandschutzkonzepte hätten erstellen sollen, aber als Feuerwehr gerufen wird. „Egal, wann ich gefragt werde, meine Perspektive ist die nach vorne. Ich finde, wir müssen immer überlegen, wie wir das Beste draus machen können.“ Also zerknüllen Tobias Haack und seine Kolleg:innen zunächst das Brandschutzkonzept, schnappen sich den Feuerlöscher und wagen sich hinein in die Flammen. „Unser eigentlicher Auftrag ist, im Vorfeld mit den Menschen vor Ort zu überlegen, wie sie sich aufstellen können, wie sie mit dem, was sie haben, arbeiten können. Oder sie in ihrem Prozess zu begleiten. Die Realität ist oft leider eine andere: Da sind Gemeinden nicht immer ehrlich zu sich selbst und schrecken erst auf, wenn das Team nicht mehr funktioniert. Sie merken, dass sie keine Ressourcen oder selbst keine Idee mehr haben.“ Und so nimmt sich das Team der Arbeitsstelle für Gemeindeberatung in Oldenburg die Freiheit heraus, aufgrund der Bedingungen, die in den Gemeinden vorherrschen, den Ansatz der Komplementärberatung zu leben: fachliche Expertise mal hier, Prozessbegleitung mal dort.
Fresh X in der Beratung
Auch für die Kirche selbst erhofft er sich diese Freiheit – und vor allem mehr Freiraum – und fragt vorsichtig nach, ob die Menschen in den Gemeinden (über die Kerngemeinde hinaus) nicht mehr beteiligt werden müssten und selbst überlegen könnten, wie sie Gottesdienste, Konfirmanden- und Jugendarbeit, Entwicklungsräume und Steuerungsgruppen gestalten wollen. Und ob es nicht sinnvoll wäre, sich grundsätzlich (noch) einmal Gedanken darüber zu machen, wie man überhaupt Entscheidungen treffen möchte. Spannende Fragen rund um Macht, Selbstbestimmung, Demokratie und Freiheit, die sich nicht nur auf Kirchengrenzen beziehen.
Genau an dieser Stelle kommt auch Fresh X ins Spiel. Nicht allein von der Haltung her, mit dem sie ihre Angebote ausführen, die allein ist schon „fresh-ixig“. Dem Team der Gemeindeberatung in Oldenburg ist es wichtig, auch über den Tellerrand zu blicken, sich Anregungen dafür zu holen, wie andere mit ähnlichen Fragestellungen oder Herausforderungen umgehen und selbst mit anderen Akteur:innen ins Gespräch zu kommen. „Das Spannende darin finde ich, dass wir uns auch außerhalb von Oldenburg umgucken, andere Projekte sehen, die es gewagt haben, Fragen zu stellen und daraus Hoffnung mitnehmen zu können.“ Denn die Kirche der Zukunft – die im besten Fall resilient, tragfähig, relevant und zukunftsträchtig ist – kann man nicht planen, nicht herbeiphilosophieren, nicht am Reißbrett entwickeln. Die muss Stück für Stück entstehen, ist Tobias Haack überzeugt. Und sieht je nach Ort, je nach Kontext, je nach Mitwirkenden und Mitgestaltenden auch ganz unterschiedlich aus.
Kirche der Zukunft
Und dann beginnt er, von der Kirche der Zukunft zu träumen: „Es wird für jeden Kontext eine andere Kirche brauchen. Und mir ist wichtig, dass wir diese verschiedenen Formen von Kirche gegenseitig als vollwertig anerkennen. Wir müssen viel mehr zusammenarbeiten. Und wir sollten aufhören, Gemeindemitglieder als Ressource zu verstehen, für die es soundsoviel Prozent der Kirchensteuer gibt. Die Menschen, die zu uns kommen, die mit uns unterwegs sind, gehören uns ja nicht. Dieses Besitzdenken über Menschen passt meiner Meinung nach nicht zu Kirche. Gemeinsam sollten wir nach kreativen Wegen und Möglichkeiten suchen, wie wir etwas auf die Beine stellen können. Nirgendwo in der Bibel steht: Baut hier vier Wände hin, nennt das Kirche und macht alles da. Jesus ist zu den Menschen hingegangen, hat sich überall eingeladen und viel Zeit mit den Menschen verbracht, hat ihnen zugehört und sie gefragt: ‚Was brauchst du?‘ Kirche bedeutet für mich, mit Menschen unterwegs zu sein, rauszugehen und darauf zu hören, was die Menschen brauchen. Aber auch hier heißt es nicht, dass ein paar Auserwählte, die Kirchenältesten, Pfarrpersonen oder Pfarrteams, Gemeindeleitungen oder ein paar Ehrenamtliche alles machen müssen. Kirche heißt für mich, Freiraum zu eröffnen, dass die Menschen selbst etwas machen können. Ich wünsche mir eine große Offenheit zum Ausprobieren, eine freundliche Fehlerkultur, eine Erweiterung unsere Denkräume und mehr Zuhören.“
Miteinander und voneinander lernen
Unabhängig davon, dass es toll ist, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen und das Netzwerk zu erweitern, ist es auch wertvoll, von den Stärken, Erfahrungen und Kenntnissen anderer profitieren zu können. Und so freut sich das Fresh X-Netzwerk nicht nur grundsätzlich darüber, dass die Arbeitsstelle aus Oldenburg Mitglied geworden ist, sondern auch auf Innovatoren, die schon ganz viel von dem, was Fresh X als Haltung und Bewegung ausmacht, mit in ihr Beratungs-Know-How bringen und dieses Wissen auch gerne mit anderen teilen wollen.
Liebe Arbeitsstelle für Gemeindeberatung, Organisationsentwicklung und Kirchenältestenfortbildung, schön, dass ihr da seid!