Eine Fresh X zu gründen, ist das Leichteste der Welt.
Ist es natürlich nicht! Das gleich vorneweg. Aber manchmal liegt mir diese Aussage auf der Zunge, wenn ich in Workshops oder Seminaren zu alternativen Formen von Kirche auf Bedenken stoße: „Bei uns geht das nicht.“ „Die Lage in unserer Kirche ist noch zu gut.“ „Die Caritas macht das ja schon alles“.
Merkmale einer Fresh X
Ich hab ein relativ klares Bild davon, was eine Fresh X ist. Es gibt Beispiele, die mir Formen und Formate von Kirche vor Augen geführt haben, in denen ich „Fresh X-Muster“ identifiziert habe. Diese Muster sind mir zu einer eine Art Blaupause für alternative Formen von Kirche geworden. Dabei geht es nicht um besonders exotische, originelle oder „innovative“ Formen von Kirche. Die gibt es natürlich auch: Angefangen beim fahrenden Nagelstudio mit Lebensberatung bis hin zu der zum Fitnessstudio umgebauten Kirche mit Yoga-Kursen.
Und es gibt ganz einfache Formate, die „leicht“ sind. Ein Muster, das ich zum Beispiel abgespeichert habe, kann ich mit den Worten eine Freundes zusammenfassen: „Wenn es etwas mit Essen zu hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es sich um eine Fresh X handeln könnte.“ Miteinander essen gehört also schon mal dazu. Damit verbinde ich Geselligkeit, Gemeinschaft und – nicht zuletzt – das Stillen grundlegender Bedürfnisse. Dann gibt es Haltungen, die ich erwarten würde, wenn wir von Fresh X reden: „From stand an talk, to sit and listen.“ In diesen alternativen Formen von Kirche geht es darum, von anderen zu lernen, den Kontext verstehen zu wollen und aus der Haltung des wissenden Anbieters auszusteigen. Das ist letztlich nicht mehr als ein liebevolles Zuhören. Auch das ist leicht, wenn man sich selbst nicht so wichtig nimmt.
Serving first – erst Dienen
Diese Bilder von alternativen Formen von Kirche versuche ich, zu transportieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei immer die „serving first journey“: hören, dienen, zusammen bringen, nachfolgen, feiern. Auch für diese Kolumne zeichnet sie meine Route vor. (Letztes Mal Hören. Dieses Mal: Dienen). Ich mag die Journey, weil sie unsere klassischen pastoralen Denkmuster auf den Kopf stellt: Üblicherweise hat Kirche etwas mit sakralem Raum und vor allem mit Gottesdienst zu tun. Die Journey fordert aber dazu auf, das, was wir Gottesdienst nennen, erst mal nicht als Ausgangspunkt von Kirchenentwicklung zu verstehen, sondern an das Ende einer längeren Reise zu stellen. Diese Reise, so kann man es in der einschlägigen Literatur nachlesen, ist ein Abenteuer von sechs bis acht Jahren.
Am Anfang der Reise steht nicht mehr und nicht weniger als Nächstenliebe, die liebevolle Hinwendung, der Dienst, das Dienen. Hier entdecken wir unsere Sendung, unseren Auftrag, unsere Mission. Hier liegt auch die Herausforderung, „unser Why“ benennen zu können: Wem dient, was wir tun? Was haben Menschen davon, dass es uns gibt? Was an unserem Tun wird anderen zum Segen?
„Die lieben und lieben und lieben und lieben und lieben und lieben, als wäre es das Leichteste der Welt.“
– Kid Kopphausen
Lieben und Dienen
Auf diese Frage zu antworten, ist vielleicht das Schwierigste der Welt. Und das Einfachste zugleich. Denn Fresh X sind erst mal nur liebevolle Zuwendung zu einem bestimmten Kontext. Darin ist unsere ganze Theologie zu finden: Gott liebt die Welt. Durch Gottes Augen betrachtet, wird aus jedem Hinterhof ein wertvoller Palast, der Aufmerksamkeit verdient.
Dienen. Damit ist die bewusste Orientierung an die Bedürfnissen eines spezifischen Kontexts gemeint. So rücken die Notlagen unserer Umgebung in den Blick – aber auch die Interessen und Leidenschaften von Menschen, denen wir uns zuwenden. Lieben und dienen, das ist das einfachste der Welt.