Die Missbrauchsvorwürfe, mit denen sich die katholische Kirche 2018 konfrontiert sah, erschütterten, bestürzten, machten rat- und hilflos. Und sie setzten Notwendiges in Gang: Aufarbeitung und Gesprächsformate zu möglichen Reformen. Eine dieser Reformbestrebung ist der Synodale Weg, der circa ein Jahr später von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken verabschiedet wurde und sich vor allem den rund um den Missbrauchsskandal aufgeworfenen Fragen widmen will: Das verloren gegangene Vertrauen der Mitglieder soll durch einen Machtabbau und eine Umstrukturierung der kirchlichen Macht wiedergewonnen werden. Fragen rund um den Zugang zum Priesteramts und die Ausübung dessen (konkret Frauenordination und Zölibat) sollen neu diskutiert werden. Darüber hinaus sollen Fragen rund um die kirchliche Sexualmoral erörtert und und in Einklang mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gebracht werden, um den Gläubigen Orientierung zu geben.
Was ist Freiheit?
Der Synodale Weg wird seitdem nicht nur innerkirchlich diskutiert, sondern auch medial. Im letzten Jahr veröffentlichte der Freiburger Theologe und Professor für Fundamentaltheologie, Magnus Striet, seine Gedanken dazu in dem Buch “Für eine Kirche der Freiheit. Den Synodalen Weg konsequent weitergehen” erschienen im Herder Verlag.
Die Freiheit des Glaubens, nach der die einen streben und sich sehnen, die sie regelrecht fordern nach Jahren des Versteckens, der Heimlichkeiten und des Machtmissbrauchs, ist für die anderen ein Sinnbild für die Unterwerfung unter den Zeitgeist und eine Auflehnung gegen die Tradition der römisch-katholischen Kirche und der vatikanischen Lehre. So wird Freiheit nicht nur zum erstrebenswerten Gut, sondern zum Streitpunkt.
In seinem Buch arbeitet sich Striet an den Thesen eines Kollegen ab und zeigt sich überzeugt, dass die Freiheitsfrage die entscheidende Fragestellung der katholischen Kirche ist, die zu Pluralisierungseffekten führen wird. So schreibt er auf Seite 39: “Der entscheidende Streitpunkt lautet, woran eigentlich Freiheit ihren Maßstab nimmt und nehmen soll, wenn sie sich selbst bestimmt.” Für den Freiburger Theologen resultiert daraus nicht die Frage, was Freiheit ist, sondern wie man Freiheit verstehen soll: “An was soll sie sich in ihrem Selbstvollzug als Freiheit halten?” Und wann ist Freiheit tatsächlich Freiheit?
Der Synodale Weg der Freiheit
Das sind in der Tat sehr spannende Fragen. Doch ob die Klärung dieser dazu beitragen wird, die katholische Kirche zu rehabilitieren, zu reformieren? Oder zielen sie auf eine Spaltung ab? Wird Freiheit nicht einen, sondern trennen? Ist die Transformation des Synodalen Wegs zu einer Freiheitsdebatte wirklich das, was die (katholische) Kirche voranbringen wird, weil es ein völlig neues Gottes- und Glaubensbild vermittelt? Oder ist es eine intellektuelle Debatte, die an der Basis, an den Gläubigen vorbeigeht?
Für Striet ist die Freiheit der elementare Punkt in der Reformbewegung des Synodalen Wegs und auch der entscheidende Begriff für eine umfassende Kirchenentwicklung, deren Ziel nicht nur der eigene Erhalt, sondern auch die Wiedererlangung gesellschaftlicher Relevanz bedingt. Gleichzeitig betont er, sollten unterschiedliche Freiheitsvorstellungen beibehalten werden, wird es auch im Ringen um den Synodalen Weg keine gemeinsamen Gesprächsebenen geben. Als Begründung schreibt er auf Seite 128: “In den katholischen Milieus [werden] hingegen längst unterschiedliche Freiheitskonzepte praktiziert. Während die einen Milieus daran festhalten, dass es den Willen Gottes oder auch Christi in vom katholischen Lehramt in gültiger Weise vorgelegt und damit effektiv zugänglich gibt, sind andere nicht nur skeptisch, ob dies so gewiss ist, sondern nehmen ihre unbedingte Norm in dem Satz Freiheit soll sein.” Alles hängt seiner Meinung nach davon ab, ob Freiheit ein Selbstbestimmungsrecht hat oder nicht.
Einende Freiheit für eine Kirche der Freiheit
Dieser Diskurs und dieser Differenzierungsprozess, der 2019 in Gang gekommen ist, kann zu einer Kirche der Freiheit führen. Vor allem, wenn die, die sich jetzt schon das moderne Freiheitsdenken zu eigen gemacht haben, dies auf ihre Kirche anwenden, für sie beanspruchen und nicht dahinter zurück wollen. Die Kirche kann, wenn sie Freiheit theologisch-anthropologisch und gesellschaftlich neu dekliniert, zu einem freieren und sinnvolleren Leben beitragen, ein wichtiges gesellschaftliches Angebot unterbreiten und zu einer Kirche der Freiheit, einer Kirche des freien (selbstbestimmten) Glaubens werden.
Wenn Freiheit eint, statt trennt.

Ein Plädoyer für eine Stärkung der Synodalität auch in Glaubens- und Lehrfragen: Magnus Striet “Für eine Kirche der Freiheit. Den Synodalen Weg konsequent weitergehen”, Herder Verlag, 2022, 16,00€.