Die Diözese Graz-Seckau stellt sich und ihre Themen vor
Können Sie sich unseren Leser:innen und anderen Mitgliedern kurz vorstellen?
Tamara Strohmayer: Die Diözese Graz-Seckau liegt im Süden Österreichs und umfasst im Großen und Ganzen das Bundesland Steiermark. Unsere Region wird auch als das grüne Herz Österreichs bezeichnet und neben der vielfältigen Landschaft sind wir für vor allem für unser Kürbiskernöl über die Grenzen hinaus bekannt. 🙂
Bischof Wilhelm setzte 2017 einen breit angelegten Zukunftsprozess in Gang. Dabei stellte er zwei Fragen an den Beginn: „Wozu bist du da, Katholische Kirche in der Steiermark? Wer willst du für die Menschen hier an diesem Ort sein?“ Als Antwortversuch daraus entstanden ist unser Zukunftsbild. Es gibt eine gemeinsame Ausrichtung und zeigt Wege auf, wie Kirche in diesem Teil Österreichs in 20 Jahren sein kann. Unter dem Titel „Gott kommt im Heute entgegen“ beschreibt es, was uns in den kommenden Jahren als Diözese wichtig ist: die Lebensrealitäten der Menschen ernstzunehmen und dabei unsere Aufmerksamkeit besonders jenen Menschen zuzuwenden, die keinen oder nur wenig Kontakt zur Kirche haben; Gottes Wirken im Leben der anderen zu entdecken – ganz besonders in der Liebe zu den Armen und Benachteiligten aller Art; neue Formen von Kirche zu fördern und auf Experimente und Innovation zu setzen; vermehrt Qualität in den Blick zu nehmen und uns um eine Vielfalt an unterschiedlichen Zugängen zu bemühen; den Dienst der Leitung neu zu gestalten und Raum zu schaffen für die unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten der Menschen.
Auf diesem spannenden Weg darf ich für Innovation und für neue Formen von Kirche verantwortlich sein. Dabei geht es sowohl um die inhaltliche wie finanzielle Unterstützung von Ideen und um deren Sichtbarkeit, aber auch um die Entwicklung und Förderung von neuen Formen von Kirche. Dass Kirche mehr ist, als wir landläufig damit verbinden, und dass Gott uns oft auf überraschende Weise im Leben der Menschen entgegenkommt, ist für uns aktuell der größte Lernbedarf. Seit Jahren verfolge ich die unterschiedlichsten Neuaufbrüche in den Kirchen und merke: wir stehen oft von ähnlichen Fragen und Herausforderungen. Darum bin ich sehr dankbar, dass wir als Diözese als neues Mitglied im fx-Netzwerk Teil dieser Lerngemeinschaft sein dürfen.
Sie haben eine Adaption des Surfing-the-wave-Kurses durchgeführt. Können Sie uns von Ihren Erfahrungen berichten?
Tamara Strohmayer: Der Surfing-the-wave-Kurs hat mich persönlich sehr beeindruckt: die Vielfalt an Zugängen, die erzählten Geschichten, das bunte Vorbereitungsteam und die unterschiedlichen Vertiefungsmöglichkeiten. Schon während der Abende dachte ich mir: das könnte auch etwas für meine Diözese sein. Der Kontakt zu Katharina Haubold und Rolf Krüger war bald hergestellt und gemeinsam entstand die Serie „Sehnsucht nach anders – Kirche in neuen Formen und Formaten“, an der Personen aus vielen Teilen Österreichs, aus Südtirol und aus Deutschland teilnahmen. Dabei war das virtuelle Format via ZOOM ein Segen, da es Leute zusammenbrachte, die sonst so wohl nie zusammengefunden hätten. An fünf Abenden standen Inspirationsgeschichten von Menschen, die bereits Neues wagten ebenso im Mittelpunkt wie ein inhaltlicher Input und das Erproben von praktischen Methoden. Besonders wichtig war uns die Ermutigung der Teilnehmer:innen, einen kleinen persönlichen nächsten Schritt zu setzen. Daher freut es mich, wenn mir Menschen erzählen, dass sie in der Folge von „Sehnsucht nach anders“ etwas ausprobiert haben oder z.B. jetzt vor dem Sommer eine Ideen-Werkstatt unter dem Titel „Kirche anders“ im Seelsorgeraum gestalten.
In der Durchführung der Abende ist mir erneut bewusst geworden, wie viele Menschen – auch aus dem „innersten Kreis“ der Kirche eine Sehnsucht nach anders in sich tragen. So unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich ist auch diese Sehnsucht. Manche sehnen sich nach dem ‚Anderen‘, damit Menschen wieder bewährte Formen von Kirche ansprechend finden. Andere können dieses Andere noch gar nicht richtig in Worte fassen und wieder andere wollen sich aktiv auf die Suche nach neuen Formen von Kirche machen.
Mir ist auch klar geworden, wie dringend wir in unserer Diözese Erzählungen von Menschen und Orten brauchen, die schon einige Schritte weiter sind als wir.
Sie können für uns eine große Hilfe sein, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie Kirche in neuen Formen sein und wie die eigene Sehnsucht nach anders etwas verändern kann. Menschen aus unterschiedlichsten Kontexten zusammenzubringen und eigene Erfahrungen zu ermöglichen, das scheint mir ein wichtiger nächster Schritt für uns zu sein.
Wie kann und sollte Ihrer Meinung nach Ökumene gelebt und gestaltet werden?
Tamara Strohmayer: Wie können Menschen den Glauben als relevant für ihr Leben entdecken? Was heißt es Kirche zu sein? – Viele Kirchen stehen vor ähnlichen Fragen und Herausforderungen und ich bin mir sicher, gemeinsam finden sich darauf viel bessere Ideen und Lösungen als jeder erfindet gefühlt das Rad für sich allein. Auf der Suche nach Organisationen oder Personen, die an ähnlichen Fragen dran sind wie wir in unserer Diözese, bin ich im ökumenischen Kontext immer auf offene Ohren und Herzen gestoßen. Dabei erlebe ich, dass Ökumene im praktischen Tun miteinander schon viel, viel weiter ist als der theologische Diskurs. Unsere unterschiedlichen Traditionen und Zugänge erlebe ich dabei als große Bereicherung und ich für mich kann sagen: wir können noch viel von anderen lernen, wenn es darum geht, Kirche in neuen Formen zu entdecken und zu fördern. Zumindest als Katholische Kirche in der Steiermark stehen wir hier gefühlt noch ziemlich am Anfang.
Was kann das Netzwerk von Ihrer Diözese lernen?
Tamara Strohmayer: Eine Stärke unserer Zukunftsausrichtung liegt aus meiner Sicht in seiner Grundausrichtung als gesamtstrategischer Prozess. Vielleicht können unsere Erfahrungen in der diözesanen Verankerung von Innovation und neuen Formen von Kirche eine Bereicherung für unsere Netzwerkpartner:innen sein.
Tamara Strohmayer ist in der katholischen Kirche Österreichs Teil der Erneuerung. Als Prozessbereichsleitung Innovation und Entwicklung, Teilbereich Innovation, ist sie dafür zuständig die Zukunftsausrichtung der Diözese intensiv mit zu entwickeln und voranzutreiben.
Auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen (EVLKS), die Diakonie Leipziger Land sowie die Berliner Stadtmission haben sich schon unseren Mitgliedern vorgestellt. Weitere folgen.